Die Hexengraefin
die Stadt durchflossen.
Nun diente der Eimer diesem nobel gekleideten Fräulein als Sitzgelegenheit, und der Bursche, dem einer der Diener auf einen Wink der Gräfin hin, eine kleine Münze in die Hand gedrückt hatte, grinste zufrieden.
»Leni, was machst du nur für Sachen?«, fragte Adelheid besorgt, kniete sich vor der Kauernden nieder und umarmte sie.
»Heidi, ich muss dir etwas Furchtbares sagen«, flüsterte ihre Freundin, und Adelheid brachte ihr Gesicht ganz nah an das des Helen. Und was Helene der Gräfin mitzuteilen hatte, ließ auch die junge Edeldame erbleichen. Sie schluckte schwer.
»Es hat den Anschein, Heidi, dass einen die Vergangenheit niemals loslässt – auch wenn man es sich von ganzem Herzen wünscht«, sagte das Helen kleinlaut, aber die Gräfin hatte sich inzwischen wieder gefangen und protestierte energisch: »Unsinn. Wir lassen uns davon nicht unterkriegen. Im Gegenteil, mir will scheinen, dass wir mit unserem Wissen eher eine Trumpfkarte gegen ihn in der Hand haben als umgekehrt.«
Auf den fragenden Blick der Freundin, die sich sichtlich unter dem neugierigen Gegaffe der immer noch zum Münster strömenden Kirchgänger unwohl fühlte, erklärte Adelheid: »Denk doch einmal nach, Liebe: Wer hat sich denn gegen eine wehrlose Gefangene in übelster Weise vergangen? Was dieses scheinheilige Schwein sich damals im Hänsele-Turm erlaubt hat, hatte nichts mehr mit dem Hexenhammer zu tun, nicht wahr? Und das ist der springende Punkt: Der schreckliche Klosterbruder Damian handelte damals nicht im Auftrag des Obersten Richters Bertold Munzinger. Und dass er mit seinen Scheußlichkeiten noch den Scheible übertroffen hat, wird man ihm heute wohl kaum noch als Verdienst anrechnen. Wie wir wissen, hat sich der Wind hier, was die sogenannten Hexen betrifft, ziemlich gedreht. Dieser Damian Rothaus hat es offenbar verstanden, sich bei seinen kirchlichen Oberen lieb Kind zu machen und ist somit unverdientermaßen zum Propst befördert worden.
Glaub mir, liebstes Helen, mein Mann, mein Vater und mein Bruder werden alles unternehmen, um ihn die Treppe wieder herunterfallen zu lassen – und zwar sehr schnell und ganz, ganz tief. Er wird sich noch wünschen, niemals geboren worden zu sein, das schwöre ich dir.«
Adelheid schickte die beiden Diener wieder zurück in die Kirche. Sie sollten dem Grafen ausrichten, es gehe Helene wieder gut, aber die Damen zögen es vor, ihren Gasthof aufzusuchen und die Messe nicht weiter mitzufeiern. Damit zog die Gräfin ihre Freundin hoch von der doch auf die Dauer recht unbequemen Sitzgelegenheit, und mit der Zofe im Schlepptau spazierten die beiden in Richtung des Roten Bären.
Der Empfang auf Ruhfeld war geradezu pompös. Adelheid konnte sich nicht erinnern, jemals solche Festlichkeiten auf dem Schloss erlebt zu haben. Der von außen eher schlichte Bau war frisch verputzt und um Fenster und Türen waren nun zweifarbige, ineinander verschlungene Farbbänder aufgetragen worden. Alles strahlte und funkelte in neuem Glanz, und kein Grashälmchen lugte zwischen den Steinplatten im Schlosshof hervor.
Sogar das große, steinerne Wappen der Familie über dem Tor – das im oberen Teil einen zu Dreivierteln vollen Mond auf blauem Grund als Symbol der Ruhe und im unteren drei Ähren auf grünem Feld zeigte – hatte Graf Ferfried erneuern lassen.
Der alte Graf war der glücklichste Vater der Welt. Nicht nur seinen Sohn hatte er wieder bei sich, auch die geliebte Tochter weilte unter dem väterlichen Dach und hatte ihm zusätzlich einen verständigen, schmucken und, wie es schien, auch recht vermögenden Schwiegersohn mitgebracht.
Auf Anhieb hatten sich die drei Männer Ferfried, Hasso und Bernard verstanden, wenn sie sich abwechselnd auf Deutsch und Französisch bestens unterhielten.
Adelheid hatte ihre Augen gar nicht abwenden können von ihrem hochgewachsenen, breitschultrigen Bruder, so gut sah er nach ihren Begriffen aus. Natürlich nicht so gut wie ihr geliebter Bernard … Aber immerhin, der junge Herr von Ruhfeld hatte an Männlichkeit und Reife gewonnen, und die Blicke sämtlicher heiratsfähiger Damen der Umgebung verschlangen den attraktiven Witwer geradezu.
Und noch etwas war Adelheid nicht verborgen geblieben: Hasso wurde geradezu magnetisch von Helene angezogen. Die anderen herausgeputzten Schönen beachtete er überhaupt nicht; für ihn schien nur die Tochter des Jakob zu existieren – ganz so, wie es früher schon einmal gewesen war.
Nur einen
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