Die Hexengraefin
von Hunger, Pest und Krieg. Leider bewahrheitete sich dieses und dient jetzt den Massen als Bestätigung ihres Wahns.
Männer und Frauen nehmen zwar wahr, was um sie herum vorgeht, sie verstehen es aber nicht und ziehen die falschen Schlüsse daraus, indem sie sich als Opfer göttlicher Züchtigung begreifen und über die scheinbar Schuldigen herfallen.«
Das waren in der Tat keine guten Nachrichten. Man konnte nur hoffen, dass dieses letzte Aufflammen des Hexenwahns rasch wieder in sich zusammenfiel, ehe neuerdings die Verfolgung Unschuldiger sowie das schreckliche Hexenmorden aufkamen.
Der Sommer des Jahres 1633 kündigte sich an, und auf Schloss Beauregard, gewissermaßen einer »Insel der Seligen«, lebten die Menschen wie in einem eigenen Kosmos. Draußen existierte gleichsam die böse Welt mit Seuchen – es waren Fälle von Pocken und Rachenbräune (Diphtherie) aufgetreten -, mit Hungersnöten und Überfällen durch Landstreicher, die der quälende Hunger aus den Städten vertrieben hatte.
Umso mehr genossen die Bewohner die behagliche und komfortable Zuflucht im gräflichen Schloss, wo weder an Nahrungsmitteln noch an Luxusgütern aller Art ein Mangel herrschte.
Die Kinder gediehen prächtig, die wieder gertenschlanke Adelheid war schöner und strahlender denn je, ihr Mann liebte sie über alles und: Frankreich blieb vom großen Krieg verschont, der in Deutschland jetzt bereits im fünfzehnten Jahr wütete. Eine Tatsache, die sich Kardinal Richelieu stets als großen Erfolg seiner klugen Politik an seine Fahnen heftete.
Nach wie vor verfolgte der Kirchenmann drei Hauptziele: Erstens die Beseitigung der Sonderstellung der Hugenotten, zweitens die Entmachtung des Hochadels zugunsten der Königsgewalt und drittens die Befreiung Frankreichs aus der spanischhabsburgischen Umklammerung.
Der schlaue kluge Kardinal setzte den Absolutismus in Frankreich durch, dessen unbedingten Höhepunkt er allerdings nicht mehr erlebte – dies sollte erst Ludwig XIV. vorbehalten sein -, und er schuf die Académie Française, welche die Grundlage für die kulturelle Vormachtstellung Frankreichs schaffen sollte – wenn auch ebenfalls erst unter dem nächsten König.
Sein Leben lang hatte sich der Kardinal mit Aufständen des Adels und Verschwörungen herumzuschlagen, mit dem neuen Amt eines »Intendanten« sicherte er jedoch die Verwaltung im Sinne der Krone.
Alles in allem ließ es sich in Frankreich gut leben – falls man zur gehobenen Schicht gehörte, und Adelheid dankte dem Schicksal, das es schließlich doch noch gut mit ihr und den beiden Frauen, für die sie sich verantwortlich fühlte, gemeint hatte.
Ursula, ihre Zofe, hatte um die gleiche Zeit wie sie einem Mädchen das Leben geschenkt. Ihre Herrin ernannte sie, die über jede Menge an Muttermilch verfügte, umgehend zur Amme für ihren kleinen Sohn, Philippe-André, während sie eigentlich vorhatte, das Stillen ihres Töchterchens, Sybilla-Charlotte, selbst zu übernehmen.
Bernard legte umgehend seinen Protest ein und auch das Helen riet ihr dringend davon ab.
»Du bist schließlich keine Bäuerin oder eine kleine Handwerkersfrau, sondern eine Edeldame; willst du dir deine gute Figur ruinieren? Lass dir sagen, Heidi, bei einem schlaffen Busen wird der beste und treueste Ehemann der Sache bald überdrüssig. Willst du den Comte aus deinem Bett verjagen?«
»Ich wusste nicht, dass du neuerdings auch Beraterin in Eheangelegenheiten bist«, bemerkte daraufhin spitz die Gräfin, aber sie ließ sich doch überzeugen und nahm eine junge Frau aus dem Dorf, die eben geboren hatte und über einen Überschuss an Milch verfügte, zur Amme.
Anfang Mai war Bernards Großmutter gestorben. Ohne krank gewesen zu sein, lag die alte Gräfin eines Morgens tot in ihrem Bett. Sie hatte das hohe Alter von vierundachtzig Jahren erreicht, hatte aber schon seit Langem nicht mehr am Leben im Schloss Anteil genommen.
Bernard, der aufrichtig um die alte Dame trauerte – gehörte Charlotte de Grandbois doch zu seiner glücklichen Kindheit -, glaubte sogar, sie habe die Geburt ihrer Urenkel nicht mehr bewusst wahrgenommen.
KAPITEL 96
MADAME CHARLOTTE SOPHIE AGNÈS DE GRANDBOIS, geborene Comtesse de Montmorency, wurde in der Familiengruft beigesetzt, neben dem Sarkophag ihres Ehegatten, welcher ihr schon vor über einem Vierteljahrhundert in die Ewigkeit vorausgegangen war.
»An Grandpère Clémant Bernard kann ich mich gar nicht mehr erinnern«, bekannte der Comte.
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