Die Hexengraefin
sich im Westen, in Richtung dieses verfluchten Hohlweges, ein Gewitter zusammengebraut hatte.
»Ja, so ist’s recht. Richtig schütten muss es, dann sind alle Spuren verwischt. Dann sieht keiner mehr auch nur noch einen Blutstropfen. Und der Regen wäscht die frischen Wagenspuren aus, die vielleicht entstanden sind, und die Huftritte von dem alten Karrengaul und unseren Rössern«, flüsterte der junge Mann zufrieden vor sich hin.
Den Gaul hatte man auf dem Gelände des Schlosshofs, hinter der Schmiede, durch einen Schnitt mit einem extra scharf geschliffenen Dolch durch die Halsschlagader erledigt und sofort abgehäutet, um ihn zu zerlegen und an die Jagdhundmeute des Grafen zu verfüttern.
Hufe, Schweif, Kopf und Haut der Schindmähre hatte der Knecht Frieder in einem tiefen Loch im Küchengarten verscharrt. Alles war gut gegangen, und wenn jetzt noch der Himmel seine Schleusen öffnete, dann wäre die Tat vollkommen.
Als der Regen tatsächlich herniederprasselte, empfand Georg das irgendwie als endgültige Bestätigung dafür, dass sogar der HERRGOTT mit dem, was sie getan hatten, einverstanden war.
»Manchmal muss man halt den krummen Weg gehen, wenn der gerade nicht ans Ziel führt«, lachte Jakobs Sohn und Erbe und ließ sich mitten auf dem Hof vom Regenguss durchnässen: Das Wasser von oben reinigte ihn gewissermaßen von jeglicher Schuld, auch von der schweren Todsünde des Mordes …
Der alte Bauer, sein Weib und die Knechte und Mägde, die alle in der Wohnstube vor dem schweren Unwetter Zuflucht gesucht hatten, schauten verblüfft zu den kleinen Fenstern unter dem tief herabgezogenen Dach des typischen Schwarzwälder Bauernhauses hinaus und beobachteten den Georg, der vor dem Viehstall wie unter einem tosenden Wasserfall herumtanzte und wie ein Irrer dazu lachte.
Nicht wenige unter dem Gesinde bekreuzigten sich heimlich, blickten auf die schwarze Wetterkerze, deren Flamme unruhig flackerte und hofften, dass der Blitz – dieses Frevels wegen – nicht ins Haus einschlüge.
Bei jedem Donner, der krachend an den Bergwänden des Schwarzwaldes widerhallte, ehe er in einiger Entfernung erneut als lautes Grollen zu vernehmen war, fuhren die in der Stube Versammelten zusammen und beteten umso lauter die Allerheiligenlitanei, welche besonders bei Unwettern Schutz versprach.
Endlich wurde es Jakob zu dumm. Er lief zur Haustür, riss sie auf und brüllte so laut er konnte, um das Toben des Gewitters zu übertönen: »Georg, komm endlich ins Haus! Was soll das? Willst du GOTT versuchen?«
Der Angerufene blieb stocksteif stehen, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als müsste er etwas wegwischen – allerdings kein Wasser -, und machte, dass er ins Trockene gelangte. Er war wütend auf sich selbst, als er die neugierigen Blicke der Dienstboten sah. ›Warum führe ich mich bloß so blöd auf und lenke die Aufmerksamkeit der Leute auf mich?‹, dachte er. »Jetzt bin ich wenigstens wieder sauber«, versuchte er zu scherzen und verschwand in seiner Kammer, um die nasse Hose und den Kittel zu wechseln. Er trocknete sich ab und konnte dabei durch die geschlossene Kammertür das eintönige Herunterleiern der Litanei zu den vierzehn Heiligen hören, die man üblicherweise anrief bei allen Schwierigkeiten, welchen ein gläubiger Christenmensch ausgesetzt sein konnte.
›Vielleicht ist auch ein Heiliger dabei, der meiner Schwester hilft, wieder gesund zu werden‹, dachte er, wenn auch mit wenig Zuversicht.
So glücklich er auch über die Befreiung Helenes gewesen war, so dumm war er nicht, dass er nicht gemerkt hätte, in welch hoffnungslosem Zustand sich die junge Frau befand.
›Wenn sie an der Misshandlung durch den Scheible sterben sollte, wird mir der Hund das büßen‹, gab er sich grimmig das Versprechen, ›und das Schwein Munzinger nehme ich mir als Nächsten vor. Und ob ich, sollte ich dabei gefasst werden, am Galgen sterben muss, das ist mir egal.‹
KAPITEL 36
ABENDS WAR ADELHEID der Verzweiflung nahe. Ihre Freundin war auf keine Weise zu irgendeiner Reaktion zu bringen.
»Ich weiß nicht, was ich noch unternehmen soll«, schluchzte sie, strich die schwarzen Strähnen ihrer aufgelösten Frisur zur Seite und warf sich ihrem Bruder an den Hals. »Ich bin kein Medicus und weiß mir nicht mehr zu helfen. Wenn Helene weiterhin am Leben nicht Anteil nimmt, wird sie nicht mehr lange leben.«
Da traf Hasso von Ruhfeld eine Entscheidung. »Ich weiß, wir hatten uns vorgenommen, niemanden aus der
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