Die Hexengraefin
gehofft. Der Ehrenwerte Richter fühlte sich plötzlich krank …
KAPITEL 37
DER SCHWEDENKÖNIG ÜBERSTÜRZTE NICHTS. Ganz gemächlich zog Gustav Adolf durch Deutschland, suchte befreundete Staaten auf und begeisterte sie durch seine Liebenswürdigkeit, erschreckte noch Schwankende durch sein herrisches Auftreten, machte sie zu Verbündeten oder drohte mit Krieg und Verwüstung und – machte sich große Sorgen um seine Frau und seine Tochter, die er im hohen Norden zu Hause gelassen hatte.
Die schwedische Königin, Maria Eleonora, eine Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg, war von schwacher Gesundheit und seine Tochter Christina erst vier Jahre alt. Über beide machte sich der »Löwe aus Mitternacht« Gedanken. Es schien, dass Gustav Adolf von Todesahnungen gequält wurde, denn er war bemüht, für das Kind einen geeigneten Vormund und für seine Gemahlin einen Beschützer zu finden, falls er selbst im Kampfe fallen sollte.
Also wandte sich der König in einem Brief aus Deutschland an seinen Kanzler Axel Oxenstierna, dem er voll vertraute. Er schrieb: »Sollte mir etwas zustoßen, so ist meine Familie … des Mitleids würdig. Sie sind nur Frauen – die Mutter ohne klugen Verstand, die Tochter ein Kind von zartem Alter. Es wäre ein Unglück, müssten sie für sich selbst sorgen …«
Ohne jeden Zweifel liebte der Schwede seine hübsche, oberflächliche Gattin mit der wunderbaren, hellen Haut und dem, trotz einer etwas spitzen Nase, schönen Antlitz, die Schmuck und elegante Kleider liebte, Süßigkeiten und Zerstreuungen aller Art, ungeachtet ihrer geringen Intelligenz und ihrer, wie die Franzosen so treffend sagten, petite santé, einem Merkmal vieler hysterischer Frauen. Ständig litt die Königin unter irgendwelchen banalen Unpässlichkeiten.
Dem König war bewusst, dass sich Maria Eleonora in Schweden als Fremde in einer feindseligen Umgebung fühlte. Sie konnte weder den Menschen, von denen die meisten zur Trunksucht neigten, noch dem Land mit seinen finsteren Wäldern, den langen Wintern, den schlichten, mit Moos abgedichteten Blockhäusern sowie dem faden Essen auch nur das Geringste abgewinnen. Lediglich auf Schloss Kalmar, einem der wunderbarsten, schwedischen Renaissanceschlösser, fühlte sie sich einigermaßen wohl.
»Bliebe Gustav Adolf immer bei ihr, würde sich Maria Eleonora wohl im Lauf der Zeit an ihre barbarische Umgebung gewöhnen«, erfuhr Graf Ferfried aus einem Brief von einem befreundeten Höfling des brandenburgischen Kurfürsten. »Denn trotz allem haben die beiden gemeinsame Interessen: Der König teilt ihre Freude an der Architektur und ihre Liebe zur Musik. Gustav Adolf spielt sehr gut die Laute und hat auf Betreiben seiner Gemahlin deutsche Musiker an seinen Hof geholt, wo Tanz und Orchestermusik nun Mode geworden sind.«
Graf Ferfried überflog das Schreiben mehr oder weniger. Was interessierte ihn die Liebe des Schweden zu deutscher Musik? Noch weniger als dessen Zuneigung zu seiner calvinistischen Brandenburgerin. Auch er, Ferfried, hätte es gleich vielen vorgezogen, wenn dieser »Heros aus dem Norden« daheim bei Weib und Kind geblieben wäre …
Trotzdem las er weiter: »Aber diese Art von Zeitvertreib, welcher das Leben der Königin fast völlig ausfüllt, kann ihrem Gatten nur wenig bedeuten. Mit unermüdlicher Energie und treuer Hingabe an seine Herrscherpflichten versucht Gustav Adolf, sein recht unbedeutendes Land in die erste Reihe der europäischen Mächte zu rücken. Sein Mittel zu diesem Zweck ist der Krieg.«
›Na, wunderbar‹, dachte Ferfried verbittert, ›das haben wir doch alle gebraucht: Weil einen kleinen Herrscher im hohen Norden der Machtwahn überkommt, müssen andere darunter leiden. Verdammt soll er sein, der protestantische Ketzerkönig!‹
Ärgerlich und sorgenvoll zugleich warf Graf von Ruhfeld das Schreiben zur Seite. Wenn sein Bekannter, dessen Verehrung für Gustav Adolf aus jeder Zeile zu entnehmen war, keine anderen Neuigkeiten zu berichten wusste, konnte er ihm gestohlen bleiben. Er selbst hatte genügend Probleme.
ERST WAR Da DIE ANGST GEWESEN, Helene würde die Folgen der Folterungen nicht überleben. Kaum war sie zerstreut, kam eine zweite hinzu: Der geistige Zustand von Adelheids Freundin war erschreckend.
Sie reagierte auf nichts. Wenn sie einen Menschen ansah, blickte sie durch ihn hindurch, als wäre er aus Glas. Manchmal lächelte sie dabei, und das war schrecklich. Oder sie legte den Kopf schief,
Weitere Kostenlose Bücher