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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Richter. Was fiel dem Vogt bloß ein, so mit ihm umzuspringen? Was konnte er dafür, wenn die Männer zu dumm gewesen waren, den richtigen Weg zu finden?
    »Kommt mir nur nicht damit, dass die Kerle sich verlaufen haben«, hörte er da den Landvogt bereits geifern.
    Dem Munzinger reichte es jetzt. »Ist das eine Manier, mit mir, dem Obersten Richter, zu sprechen, Herr Landvogt?«, fragte er von oben herab. »Es ist schließlich nicht meine Aufgabe, die blöden Kerle zu beaufsichtigen. Wer weiß, womöglich haben sie sich unterwegs besoffen und sind tatsächlich vom rechten Weg abgekommen? Aber das hat mich gar nicht zu interessieren. Mein Geschäft ist es, im Namen des Ehrwürdigen Herrn Bischofs Recht zu sprechen und sonst gar nichts.«
    Der Veigt besann sich. Natürlich. Seine Wut über den absolut unerklärlichen Vorfall durfte er keineswegs an dem Richter auslassen. »Verzeiht meine Heftigkeit, Ehrenwerter Richter. Natürlich kann Euch niemand einen Vorwurf machen, aber ich bin derart durcheinander, dass ich fast geneigt wäre, übernatürliche Kräfte als Ursache anzunehmen.«
    »Wie meint Ihr das?«, erkundigte sich Bertold Munzinger und fasste den anderen scharf ins Auge.
    »Ja, nun.« Maximilian Veigt lachte etwas gezwungen. »Es wäre doch möglich, dass wirklich der Gottseibeiuns seine Hand im Spiele hatte, oder? Wenn so viele Menschen auf geheimnisvolle Art, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen, einfach verschwinden – sich quasi in Luft auflösen, nicht wahr? -, kann das doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Oder was meint Ihr?«
    »Hm, ja, möglich wär’s schon«, erwiderte der Oberste Richter nach einer Weile. Einerseits war er maßlos enttäuscht: Gar zu gerne hätte er das junge, freche Hexenmensch brennen sehen, denn bei den zwei alten Vetteln machte es ihm lange nicht so viel Vergnügen …
    Doch andererseits hatten ihn ein Grauen und eine unerklärliche Furcht ergriffen. Was, wenn tatsächlich der Leibhaftige seine Dienerinnen befreit und die Wachsoldaten erwürgt hatte? Dann aber stellte sich die berechtigte Frage, wo befanden sich die Leichen der sechs Männer? Und wo waren das Pferd und der Karren? Und wo trieben die drei Hexen jetzt ihr Unwesen? Lauerten sie ihm vielleicht nachts auf, um ihn aus Rache zu peinigen?
    Unvermittelt brach dem Munzinger der Schweiß aus und lief ihm in Strömen über das feiste, rote Gesicht.
    »Na, macht Euch mal nicht gleich in die Hosen«, hörte er da die spöttische Stimme des Landvogts. »Die Hexen werden Euch schon nichts tun.«
    »Wie könnt Ihr da so sicher sein?«, fragte der Oberste Richter zornig. Er wünschte sich meilenweit weg von hier. Es ärgerte ihn maßlos, dass sich der Vogt über ihn lustig machte.
    »Weil das alles ein riesiger Blödsinn ist, deswegen. Von wegen ›der Teufel hat alle geholt‹. Das waren keine bösen Geister, die die Gruppe entführt haben, sondern eine ganz geschickt eingefädelte, tolldreiste Befreiungsaktion hat hier stattgefunden.«
    Dem Munzinger fiel die Kinnlade herunter. Wie bitte? Wer sollte denn um Himmels willen die Tollkühnheit besessen haben, drei Zauberinnen aus der Gewalt des Gerichtes zu befreien? Und obendrein das Wachpersonal zu beseitigen?
    »Oh, da fallen mir durchaus Namen ein«, meinte Herr Maximilian und lächelte süffisant. Allmählich machte ihm die Sache beinahe Spaß. Außerdem gönnte er dem eingebildeten »Stabträger« diesen Reinfall …
    »Oh je, verdammt«, fluchte der Munzinger, »Ihr habt recht, aber wie wollen wir das jemals beweisen? Der Graf von Ru…«
    »Still! Nennt um Himmels willen keinen Namen. Es sind bloß Vermutungen und keine Tatsachen, die wir anführen können. Wenngleich ich meine Stellung als Vogt der Ortenau dagegen verwetten würde, dass ich richtig liege mit meinem Verdacht«, versetzte der Veigt.
    »Jesus, wir können die Bande doch damit nicht durchkommen lassen.«
    Der Oberste Richter weinte beinahe. Sein wunderschöner Prozess, auf den er sich mit solchem Eifer vorbereitet und den er mit solcher Bravour geführt hatte, was wurde aus dem? Schall und Rauch.
    Sein Richteramt konnte er – zumindest was Hexenprozesse anging – in Zukunft wohl vergessen, wenn erst einmal bekannt geworden war, dass seine Delinquentinnen auf wundersame Weise zu verschwinden pflegten. Und das Allerschlimmste war: Was würde sein Herr, der Bischof von Straßburg, dazu sagen? Dem Munzinger graute es regelrecht. Und dabei hatte er so auf den Beginn einer ganz besonderen Karriere

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