Die Hexengraefin
Frau Respekt ab.
»Bitte, folgt mir, Madame«, sagte er schließlich knapp, drehte sich um und verließ den Raum, ohne darauf zu achten, ob sie seiner Einladung Folge leistete.
Doch Adelheid ließ sich das nicht zweimal sagen. Auf ihren Wink hin nahm Wilhelm seine Bürde wieder auf und trug sie hinter ihr her, und Ursula bildete den Schluss.
KAPITEL 40
DIE HOCHZEIT AUF SCHLOSS ORTENBERG war vor einigen Wochen mit großem Pomp gefeiert worden. Obwohl von den Ruhfeldern zu diesem Zeitpunkt niemand Geschmack an Festivitäten hatte, durfte sich keiner seinen Widerwillen anmerken lassen.
»Wir tun so, als wäre alles in schönster Ordnung«, hatte Graf Ferfried seine Familie und das Gesinde angewiesen. »Niemand lässt sich zu einer verdächtigen Bemerkung hinreißen, nicht wahr? Wir tun so, als wäre dieses Mädchen uns gleichgültig. Ja, wir werden ein Übriges tun und sogar lügen und behaupten, dass wir froh darüber sind, dass man Helene Hagenbusch noch rechtzeitig als Hexe entlarvt hat. Wir sind doch alle um unser Seelenheil besorgt, oder nicht?«
»Aber nur, wenn die Rede der anderen darauf kommt, Vater«, hatte Adelheid eingeworfen. »Von uns aus wird niemand auch nur den Namen der armen Helene in den Mund nehmen, weil wir doch alle völlig desinteressiert an diesem gottlosen Unglücksmensch sind.«
Diese Komödie war tatsächlich allen gut geglückt. Natürlich blieb es nicht aus, dass davon gesprochen wurde – immerhin war das Hexenluder spurlos verschwunden, zusammen mit zwei weiteren Satansdienerinnen und ihren abkommandierten Wächtern.
Die ältliche, schwäbische Braut geriet ganz aus dem Häuschen, als ihr Schwiegervater mitten beim Hochzeitsmahl im Schloss das Thema anschnitt.
»Und die Hexe ist wirklich verschwunden?«, fragte die neue Gräfin von Ortenberg fassungslos. Fragend sah sie ihren frisch Angetrauten an, aber der nagte gerade eine Hasenkeule ab.
»Es schaut ganz danach aus, ja«, erwiderte er nach einer Weile, und ihr Schwiegervater rülpste leise, ehe er wichtigtuerisch erneut das Wort ergriff. »Es wäre nicht geschehen, wenn man die Hexen im Hänsele-Turm gelassen hätte«, behauptete er und blickte streitsüchtig auf die Frau seines Sohnes. Der Alte hatte bereits zu tief ins Glas geschaut und suchte einen Schuldigen für die Blamage, dass der Obrigkeit drei Hexen abhanden gekommen waren.
Bereits die ganze Ortenau und die angrenzenden Gaue lachten schadenfroh darüber. Sogar Spottgedichte hatte der alte Graf schon gehört.
Er war nicht der Einzige, der sich darüber geärgert hatte. Auch Maximilian Veigt hatte ein saures Gesicht gezogen, als er auf dem Weg zur Kirche, wo die Trauung des gräflichen Paares stattfand, eine Schar Gassenbuben grölen hörte: »Zu Ortenberg, aus dem Schloss, drei Hexen holt ein Tross.
Ei, ei, ei, sind verschwunden alle drei. Dazu sechs Kerle, ein Karren, ein Ross. Wie das den Vogt verdross!«
Auch der ehrenwerte Oberste Richter bekam sein Fett weg. Nur zu deutlich hatte er die ungezogenen Bengel kreischen gehört: »Fidibum, dreh dich nicht um, der Richter schaut dumm; drei Hexen sind weg. Ja, so ein Scheißdreck. Der Munzinger tut sich grämen, er muss sich ja recht schämen. Ja, wo is denn die Hex’? Schmeck’s!«
Dann waren die Lausebengel brüllend vor Lachen und ehe die Büttel sie greifen konnten, davongerannt. Diese Buben waren überhaupt zu einer echten Plage geworden. Sie liefen beispielsweise aus der sonntäglichen Predigt davon, und die Bettelvögte mussten sie fangen und ihnen mit Stecken den Hintern verhauen.
So hatte einer der Jungen bereits zweiundzwanzig Fischdiebstähle begangen – obwohl er der Enkel eines Richters war -, und der Sohn des Mesners hatte Geld aus dem Opferstock entwendet. Der Sohn des Schulmeisters pisste gar auf dem Friedhof in einen Weihwasserkessel, während andere Buben in der Pfarrkirche eine Rauferei anzettelten, und ein junger Häuslerssohn hatte bei der Ostermette im nahe liegenden Kloster den Beichtstuhl zu Kleinholz gemacht.
Zum Glück wusste die frischgebackene Gräfin von diesen Vorkommnissen noch nichts …
Der Ortenberger in seinem Alkoholdunst begann jetzt der eigentlich Schuldigen an der ganzen Sache, nämlich seiner Meinung nach der schwäbischen Schwiegertochter, großmächtig Vorwürfe zu machen: Hätte die arrogante Person nicht darauf bestanden, dass es an ihrem Hochzeitstag keine Gefangenen im Turm des Schlosses geben dürfe, wäre das nicht passiert.
Aber da sollte der Alte die neue
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