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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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hielt sie ein wachsames Auge.
    Bald hieß es in der Gegend: »Auf Schloss Ruhfeld herrschen Sitte, Zucht und Ordnung. Da könnte sich manches Kloster eine gehörige Scheibe davon abschneiden.«
    Die Leute spielten dabei auf die Zustände im nahe gelegenen Kloster an.
    Das Tor der Kirche wurde nie zugesperrt und ein diskretes Hinterpförtchen diente zu beliebigem, nächtlichem Ein- und Ausgang. Überhaupt waren eigenartige Sitten im Kloster eingerissen. Der Pater Guardian hatte dafür zwar gute Gründe vorzuweisen, aber der Rat der Stadt Offenburg war der Meinung, dass die Hinterpforte abzuschließen und die dralle Köchin nach der strengen Ordensregel, der die Herren immerhin verpflichtet waren, abzuschaffen sei.
    Eine gewisse Philomena, Tochter eines Barbiers, und Hulda, die Erbin eines Apothekers, waren die Geliebten der frommen Klosterbrüder Bertram und Christoph. In dem hübschen Örtchen Gengenbach verlebten beide Pärchen zärtliche Stunden, bis anständige Christen sie bei der Obrigkeit anzeigten.
    Der Rat schrieb dem Guardian, er möge die Weiber vom Kloster fernhalten. Die Philomena erhielt zwei Tage Turmstrafe bei Wasser und Brot, und der Hulda wurde nahe gelegt, sich innerhalb von zwei Wochen eine Dienststelle zu suchen oder in einen weiblichen Orden einzutreten.
    Überhaupt herrschten seit einigen Jahrzehnten Zustände wie in Sodom und Gomorrha im schönen, badischen Ländchen.
    Dem Provisor Ludwig Hüttle, der sich, obgleich er die geistlichen Weihen erhalten hatte, mit seiner Köchin Margretle gar zu intim zeigte, kündigte man sein Amt auf und wies ihn aus.
    Mit dem Prediger Zandner verfuhr man dagegen gnädiger. Er zechte häufig bei einer gewissen Frau Klein und diese wiederum bei ihm. Man sah das ansehnliche Weib des Öfteren wie einen Geist bei Nacht in »weißem Gewand«, sprich Nachthemd, aus seiner Wohnung schleichen. Der Rat hielt allerdings in diesem Falle lediglich eine Verwarnung der Frau für angemessen …
    Seit einem Polizeidekret vom November 1600 drohte jeder Braut, die sich an ihrem Hochzeitstag unberechtigt mit dem Jungfernkranz geschmückt hatte, eine »Leibesstrafe«, sprich Schläge mit der Rute. Dazu kam noch eine empfindliche Geldstrafe.
    Seitdem geschah es auffallend häufig, dass die Stettmeister, die angehalten waren, die Zeit zwischen Eheschließung und Niederkunft genau zu berechnen, erstaunlich viele junge Frauen der Obrigkeit meldeten, die angeblich die Treppen hinuntergefallen und »Siebenmonatskindern« das Leben geschenkt hatten …
    Vor- und außerehelicher Geschlechtsverkehr war an der Tagesordnung, und Ehebrecher, Männlein wie Weiblein, gab es zuhauf.
    Die ganze Gegend amüsierte sich über Michael Blankherr, den man wegen Ehebruchs zu acht Tagen Turm bei Wasser und Brot und zu fünfundzwanzig Pfund Strafe verurteilte; dazu musste er dem verführten Mädchen noch fünfzig Dukaten für den verlorenen »Jungfernkranz« und außerdem zehn Dukaten für das Kindbett bezahlen.
    Andreas Gartner wurde wegen Ehebruches, Inzestes und Majestätsbeleidigung vom Malefizgericht unter Bertold Munzinger gar zum Tode verurteilt. Den Bütteln, die ihn zum Gericht schleppten, hatte er nämlich auf gut Allemannisch zugebrüllt, der Kaiser und der Papst mit ihren Scheißgesetzen könnten ihn am A… lecken.
    Stundenlang hätte man solche Beispiele aufzählen können. Die Moral war allgemein am Boden. Vielfach war die Ursache wohl maßlose Trunksucht. Männer und Frauen betranken sich häufig bis zur Besinnungslosigkeit und fielen dann übereinander her.
    »Entweder sie zeugen im Vollrausch blöde Kinder«, tadelte Vater Ambrosius, »oder sie verprügeln sich so lange, bis einer oder alle beide halb tot am Boden liegen.«
    »Und das Schlimmste ist, dass es durchaus nicht nur die untersten Volksgruppen sind, die sich so jämmerlich gehen lassen. Diese Sittenlosigkeit ist quer durch alle Schichten zu beobachten«, rügte Graf Ferfried.
    Die Erinnerung an die drei verschwundenen Hexen war zwar noch frisch, und noch immer suchten kaiserliche Beamte und Kommissäre nach ihnen, sowie den sechs Wachsoldaten – wenn auch bisher vergeblich -, aber nichtsdestotrotz leitete Bertold Munzinger als Oberster Richter ein neues Verfahren ein, diesmal gegen vier Frauen, die sich als Hexen verdächtig gemacht haben sollten.
    Die armen Geschöpfe waren vollkommen harmlos. Als Kräuterweiber und »Besprecherinnen« von allerlei Wehwehchen verdienten sie sich eine Kleinigkeit hinzu. Für den Stabträger und

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