Die Hexengraefin
Waidwerk mit großer Leidenschaft nach. Die Wälder der Ruhfelder waren für ihren Wildreichtum bekannt, und ab Ende September bis kurz vor Weihnachten erklangen ringsum die Jagdhörner.
Auf Schloss Ruhfeld versammelten sich beinahe täglich große Jagdgesellschaften, die abends mit reicher Beute an Rot-, Schwarz- und Niederwild heimzukehren pflegten.
Bruno von Steinberg, Ritter Moritz von Glarus und Graf Rüdiger von Hohlfeld, Ferfrieds beste Freunde, waren mit ihrem Gefolge Dauergäste in jeder Jagdsaison. Dazu kamen viele andere Edelleute, die Einladungen des Grafen zur Pirsch mit Vergnügen annahmen.
Jeden Abend saßen alle im großen Saal bei Speis und vor allem Trank zusammen. Die Herren waren dabei unter sich, und das Schloss dröhnte förmlich vor lautem Gelächter über derbe Zoten und Geschichten, die man aber normalerweise erst erzählte, nachdem sich Pater Ambrosius zurückgezogen hatte.
Diesen Gefallen erwies dieser den übermütigen Herren gerne.
Wer weiß, wie lange diese Männer noch Spaß am Leben, beziehungsweise das Leben überhaupt noch haben werden?, fragte er sich. Wenn im Frühjahr der Schwede mit Macht über uns hereinbricht – und davon ist auszugehen, wenn er bereits in Mainz sitzt -, dann ist es vorbei mit Spaß und Jagd und allem anderen.
Stundenlang kniete Ambrosius Feyerling in der kleinen Schlosskapelle. Er meditierte und betete für den Frieden im Deutschen Reich allgemein, für den in der Ortenau im Besonderen, für das Heil der Seelen seiner zwei Herren, Ferfried und Hasso und für die Wohlfahrt seiner lieben Herrin Adelheid und deren Schützling, Helene Hagenbusch.
Die beiden jungen Frauen lagen dem Benediktiner besonders am Herzen. Wie oft hatte er sich bereits das Gehirn zermartert, ob die Entscheidung, sie der Obhut des Straßburger Bischofs – Verwandter hin oder her – anzuvertrauen, richtig gewesen war oder nicht. Gerade in allerjüngster Zeit waren ihm große Zweifel gekommen, aber für neue Überlegungen war es nun zu spät.
Sollte der habsburgische Erzherzog die beiden einkerkern oder gar völlig verschwinden lassen, könnten weder er noch sein Herr, der Graf, etwas dagegen tun. Im Gegenteil. Sie müssten damit rechnen, gleichfalls von der kaiserlichen Justiz zur Rechenschaft gezogen zu werden …
Der Pater war geneigt, der Lebenslust der Schlossbewohner nicht im Wege zu stehen. So stellte Ambrosius sich auch blind und taub, als die Herren begannen, sich an den Abenden hübsche, junge »Damen« zur Gesellschaft einzuladen.
Mag der Anblick holder Weiblichkeit ihnen die restliche Zeit des Friedens versüßen, dachte der Mönch großzügig. Und wenn es beim Anschauen nicht bleiben sollte – wovon er selbstverständlich ausging -, würde er stillschweigend darüber hinwegsehen. Es musste genügen, wenn die Herren ihm später in der Beichte reuevoll darüber berichteten.
Salome war jetzt beinahe täglich im Schloss. Allmählich nahm sie – keineswegs eine Dame, genauso wenig wie die anderen »Hübschlerinnen«, wie die Dienerinnen der Venus seit Langem genannt wurden – so etwas wie die Stellung einer Schlossherrin ein. Jedenfalls war sie in kurzer Zeit zur beliebten und überaus charmanten Gastgeberin auf Ruhfeld avanciert.
Salome Bürgi achtete im Übrigen streng auf gutes Benehmen. Das Fluchen und Herumspucken, das Rotzen, Furzen und Rülpsen bei Tisch hörten auf. Auf einmal wusste wieder jeder Gast, wozu Servietten zu gebrauchen waren und dass man statt der Finger ruhig eine Gabel benutzen konnte. Deren Gebrauch hatte Salome sogar zur Pflicht gemacht; andernfalls hatte sie damit gedroht, kein Fleisch mehr servieren zu lassen.
»Für Suppe und Brei reicht der Löffel«, hatte sie rundweg erklärt. Und wie brave Jungen waren sowohl Ferfried, sein Sohn und alle anderen zu Anstand und Manieren bei Tisch zurückgekehrt.
Sogar die Zotenreißerei hatte zu Ambrosius’ Erstaunen aufgehört. Nach landläufiger Meinung mochte »Madame Salome«, wie sie bald genannt wurde, eine Hure sein, aber nichtsdestotrotz achtete sie auf das Hauswesen, hielt die zu Anfang gehörig maulende Dienerschaft auf Trab und sorgte dafür, dass schmackhaftes und abwechslungsreiches Essen auf den Tisch kam.
Auch der zu Anfang sehr misstrauische Schlossvogt, Anselm von Waldnau, kam mittlerweile gut mit der überaus handfesten und properen Person aus. Dass sie außerdem dem verwitweten Hausherrn sein kaltes Bett anwärmte – was scherte es ihn? Und auf die anderen »Demoiselles«
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