Die Hexenjagd von Salem Falls
Geschichte geschnitzt hatten. Und er rechnete damit, daß ihm das Herz stehenblieb, genau wie Margarets.
Roy, träumst du schon wieder? Wo bleibt mein Toast mit Spiegelei?
Plötzlich hörte er wieder die Stimme seiner Frau, die ihn neckte, weil er für eine einfache Bestellung zu lange brauchte. Er konnte sehen, wie sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um eine Bestellung in die runde Halterung zu klemmen. Er konnte den Schmerz der Narbe spüren, die ihm geblieben war, nachdem sie einmal in die Küche gehuscht war, um ihn zu küssen, und er, überwältigt vom Augenblick, die Hand auf das offene, glühende Waffeleisen gepreßt hatte.
»Gut Ding will Weile haben«, flüsterte er, wie damals immer, wenn es Margaret nicht schnell genug ging.
»Hier.« Darla hielt ihm eine alte, weiße Kochjacke hin. »Addie hat mir erzählt, daß sie die für dich aufbewahrt.«
Roy nahm sie langsam entgegen, zog sie dann an. Zu seiner Überraschung paßte sie noch. Darla sah zu, wie er die Jacke zuknöpfte, und sie mußte lächeln. »Richtig gut siehst du aus«, sagte sie leise.
Sie räusperte sich plötzlich, als wollte sie verhindern, daß sie im Beisein eines anderen ihren Gefühlen freien Lauf ließ. »Was ist heute das Tagesgericht?« fragte sie betont munter.
Roy schloß die Finger um den Griff eines Holzlöffels, zunächst zaghaft, dann entschlossener. »Alles«, sagte er stolz. »Sag den Gästen, ich koche ihnen alles, was sie möchten.«
Addie saß in einem Verandasessel gegenüber von Reverend Marsh und seiner Tochter und nippte an ihrem Eistee. »Danke«, sagte sie. »Schmeckt köstlich.«
Der Reverend war ein dürrer, knochiger Mann mit einem Adamsapfel, der vorstand wie ein Knoten an einem Baum. Seine Tochter hatte die Hände sittsam im Schoß gefaltet, die Augen starr auf eine Stelle auf dem Verandaboden gerichtet. Catherine Marsh hatte keine lange, seidige, dunkle Lockenpracht mehr, und auch die sportliche Figur und das gewinnende Lächeln waren verschwunden. Sie war dünner, ertrank fast in ihrem zu weiten T-Shirt und den Jeans, und die Haare waren ganz kurz geschnitten. Addie blickte das Mädchen an und malte mit der Fingerspitze einen Kreis auf die beschlagene Seite ihres Glases. Hat Jack dir das angetan?
»Ich freue mich, daß Sie zu mir gekommen sind«, sagte der Reverend. »Manchmal glaube ich, daß die Zeitungen heutzutage solche Angst vor religiösen Fragestellungen haben, daß sie deswegen immer mehr in eine atheistische Richtung abgleiten.«
Sobald sie Catherines Namen wußte, hatte sie die Adresse im Telefonbuch nachgeschlagen. Reverend Ellidor Marsh wohnte in Goffeysboro, einem kleinen Ort dreißig Meilen von Loyal entfernt. Addie hatte angerufen und sich als Reporterin ausgegeben, die eine Artikelserie über religiöse Themen schreiben wollte, wußte sie doch, daß der Reverend sie nie und nimmer in sein Haus gelassen hätte, um über die Verführung seiner Tochter zu sprechen.
»Ich muß Ihnen etwas beichten«, sagte sie jetzt und stellte ihren Eistee ab.
Der Reverend lächelte und zupfte an seinem weißen Kragen. »Das höre ich häufiger«, witzelte er. »Aber eigentlich müßte ich Sie da zu Vater Ivey schicken, der wohnt ein Stück die Straße runter.«
»Ich bin keine Reporterin«, platzte Addie heraus.
Catherine Marshs Blick hob sich zum erstenmal, seit ihr Vater sie dazugerufen hatte. »Ich bin hier, um über Jack St. Bride zu sprechen«, sagte Addie.
Was dann geschah, kam einem Sturmwind gleich: Reverend Marshs selbstgefällige Miene war plötzlich wie weggefegt und wurde durch eine eiskalte Wut ersetzt, die derart heftig war, daß man sich gut vorstellen konnte, wie er Hölle und Verdammnis von der Kanzel schleuderte. »Ich verbitte mir, daß der Name dieses Mannes in meiner Gegenwart fällt.«
»Reverend Marsh –«
»Wissen Sie eigentlich, wie das ist, wenn das Leben der eigenen Tochter von einem Mann zerstört wurde, der doppelt so alt ist wie sie? Von einem Mann, der sittlich so verdorben ist, daß er es nicht als Unrecht erkennt, ein unschuldiges Mädchen zu verführen?«
»Daddy –«
»Nein!« donnerte Ellidor. »Ich will nichts davon hören, Catherine. Kein Wort. Und du, schwach wie jede Frau … schwach wie deine Mutter … hast auch noch geglaubt, du liebst ihn.«
»Reverend Marsh, ich möchte doch nur wissen –«
»Sie wollen wissen, was Jack St. Bride für ein Mensch ist? Er ist ein berechnender, perverser Sittenstrolch, der meine Tochter becirct und ihre
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