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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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den Mund aufmacht. Jeder von uns kriegt ’ne Dose Kaffeepulver, wenn er’s verbockt.«
    Jack atmete in kleinen, flachen Zügen durch den Mund. Er hatte weder mit Aldo noch mit sonst einem Häftling eine Wette abgeschlossen. Aber er würde seine kompletten Ersparnisse für Kaffee ausgeben, wenn dieses Monster ihn dafür in Frieden lassen würde.
    »Wir müssen morgen unsere Lebensmittelbestellungen aufgeben – wenn er heute abend deinetwegen auf der Krankenstation liegt, kriegen wir unseren Kaffee erst in einer Woche.«
    Jacks Arme wurden losgelassen. Als er sich mühsam aufgesetzt hatte, machte Mountain sich gerade die Jeans zu und sah ihn forschend an. »Ich kenn die Sendung. Kein Mensch ist so schlau, daß er alle Fragen richtig beantworten kann.« Er verschränkte die Arme. »Ich will keinen Kaffee, wenn du verlierst.«
    »Von mir aus. Ich spendier dir statt dessen einen Schokoriegel.«
    Mountains Hände packten ihn in Sekundenschnelle an den Schultern und zogen ihn auf die Beine. »Wenn du die Fragen heute abend richtig beantwortest, laß ich dich morgen in Ruhe. Aber morgen abend spielst du wieder und so weiter. Und sobald du nur einen Fehler machst, gehörst du mir.« Er berührte Jack am Kinn, mit weichen Fingerkuppen. »Wenn du verlierst, kommst du freiwillig zu mir.«
    Jack erstarrte. Er sah Mountain nach, bis er aus der Scheune war, dann gaben seine Beine nach. Die Hose noch immer unten um die Knie, setzte er sich ins Stroh und rang nach Atem.
    »Alles in Ordnung?«
    Jack hatte völlig vergessen, daß Aldo noch da war. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Nase und nickte. »Ja, danke.«
    »Das einzige, was Mountain noch lieber ist als ’ne schnelle Nummer, ist ein neues Spiel.« Eine leuchtende Röte kroch Jack langsam den Hals und das Gesicht hoch, während er seine Kleidung wieder in Ordnung brachte. »Ist gar nicht so wild«, sagte Aldo achselzuckend. »Das haben wir alle mal durchgemacht.«
    Jack spürte, daß er plötzlich unkontrolliert zitterte, eine verspätete Reaktion auf das, was beinahe geschehen wäre. Im Gefängnis gab man alles auf – seine Habe, seinen Job, sein Zuhause. Der Gedanke, daß jemand einem Häftling noch mehr wegnahm – etwas so Unersetzliches wie seine Würde – brachte Jack in Rage.
    Er durfte Mountain Felcher nicht gewinnen lassen.
    Jack gewann. Und wie Scheherezade gewann er über mehrere Abende hinweg eine Gnadenfrist. Die Tage wurden für ihn zum Dauerstreß: Er arbeitete acht Stunden, lieh sich dann in der Bibliothek so viele Bücher aus, wie er tragen konnte, und zog sich damit auf sein Bett zurück. Er las vor dem Abendessen, währenddessen und auch noch danach. Bis die vertraute Melodie der Quizsendung im Gemeinschaftsraum ertönte. Vor dem Einschlafen dachte er an die Zutaten eines Tom Collins; wenn er morgens die Augen aufschlug, rief er sich die Geschichte des Chinesisch-Russischen Krieges in Erinnerung. Aber schon bald war er nicht mehr allein. Häftlinge, die zu Anfang sauer gewesen waren, weil sie nicht den erwarteten Kaffee bekommen hatten, hielten auf einmal zu Jack. Sie hatten erkannt, daß Selbstachtung genauso aufputschte wie Koffein. Sie besorgten ihm Bücher aus der Bibliothek und dachten sich Fragen aus, die sie ihm stellten, während er sich die Zähne putzte, sein Kantinentablett zurückbrachte, sein Bett machte.
    Nach einer Woche war jeder im Gefängnis von Grafton County über Jacks Wette mit Mountain Felcher informiert. Die Wachen wetteten untereinander um Geld, daß Jack irgendwann doch scheitern würde. Seine Erfolge machten in sämtlichen Stockwerken die Runde. Und um sieben Uhr abends wurde an jedem Fernsehapparat auf ›Jeopardy!‹ umgeschaltet.
    Eines Abends saß Jack wie gewohnt links von Mountain Felcher, die Augen auf den Apparat oben an der Wand gerichtet. Es führte eine Kandidatin namens Isabelle mit einer wilden Lockenpracht. »Kategorie Zitate für sechshundert Dollar«, sagte sie.
    Der Historiker Cornelius Tacitus schrieb, daß sie »auf Seiten der Stärkeren« stehen.
    Die anderen Häftlinge blickten Jack an und warteten. Selbst der Wachmann hatte sein Kreuzworträtsel liegenlassen und stand jetzt mit verschränkten Armen dabei. Jack spürte, wie die Antwort in ihm aufstieg, mühelos, sorglos. »Die Engel.«
    Im selben Moment wußte er, daß seine Antwort falsch war. »Ich meinte –«
    »Die Götter«, sagte die Kandidatin.
    Eine Glocke ertönte, und 600 Dollar erschienen auf Isabelles Konto. Im Gemeinschaftsraum wurde es

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