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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gekratzt, und die Kratzer haben sich infiziert, und eines Morgens haben wir ihn auf See bestattet.«
    Jack wollte erklären, daß der Mann an einer Blutinfektion und nicht an der Krätze gestorben sein mußte, doch statt dessen blickte er Roy direkt in die Augen. »Ich sag Ihnen, wie man die Krätze bekommt«, sagte er im lockeren Tonfall. »Wenn man mit der Kleidung und Bettwäsche einer infizierten Person in Berührung kommt. Wenn ich also wirklich an der Krätze gestorben wäre, wie in Ihrem Traum, dann wären Sie als nächster dran.«
    Roy schwieg einen Moment. Dann stand er auf und räumte sein Frühstücksgeschirr ab. »Hör mal, ich hab mir was überlegt. Es ist unsinnig, daß wir beide Milch kaufen, wenn keiner von uns seine Packung in einer Woche schafft. Wir könnten uns doch besser abwechseln, eine Woche kaufst du die Milch, in der nächsten bin ich dran.«
    »Klingt wirtschaftlich vernünftig.«
    »Ganz genau.« Roy spülte seine Schüssel mit Wasser aus. »Aber deine Bettwäsche wäschst du weiterhin selbst.«
    Jack verkniff sich ein Schmunzeln. »Ja, klar. Sicher ist sicher.«
    Roy beäugte ihn mißtrauisch, wußte nicht recht, ob Jack sich über ihn lustig machte. Dann schlurfte er Richtung Wohnzimmer. »Bist ja doch ganz sympathisch.«
    Roy, der sich strikt weigerte, in der Küche zu arbeiten, bediente die Kasse unter den wachsamen Augen seiner Tochter. Addie ließ ihn immer nur kurz aus den Augen und selbst dann nicht ohne Ermahnungen: »In spätestens zehn Minuten müßtest du von der Bank zurück sein, Dad, und ich seh auf die Uhr.« Meistens saß er da und löste Kreuzworträtsel, tat so, als würde er nicht hinschauen, wenn Darla, die Aushilfe, sich bückte, um sich ihren Schuh zuzubinden, und ihr dabei der Rock hochrutschte.
    Es war kurz vor elf Uhr morgens, eine Zeit, in der die Bedienung wenig zu tun hatte, aber in der Küche große Hektik herrschte. Roy konnte sogar hören, wie das Öl in der Friteuse Grad um Grad heißer wurde. Manchmal mußte er daran denken, wie gut er früher Gemüse hatte schneiden können; selbst mit verbundenen Augen hatte er es geschafft, eine Karotte in gleichmäßige Scheiben zu schneiden, bis das letzte Stück nur einen Zentimeter von seinem Finger entfernt war.
    »Ich würd zu gern wissen, woran du gerade denkst«, sagte Addie plötzlich neben ihm.
    »Aber ich werd’s dir nicht verraten.«
    »Brauchst du auch gar nicht.« Addie massierte sich das Kreuz. »Ich kann’s mir auch so denken.«
    »Ach ja?« Manchmal staunte Roy, wie sehr Addie ihn bei den normalsten Gesten – wenn sie blinzelte oder die Beine unter einem Stuhl kreuzte – an seine Frau erinnerte. Er betrachtete die müden Augen seiner Tochter, ihre rissigen Hände und wunderte sich, wieso Margarets Tod dazu geführt hatte, daß Addie ihr eigenes Leben wegwarf.
    »Du denkst, wie leicht es dir doch fällt, wieder in den alten Trott hier zurückzufallen.«
    Roy lachte. »Welchen alten Trott? Den lieben langen Tag auf dem Hintern zu hocken?«
    »Den lieben langen Tag im ›Diner‹ auf dem Hintern zu hocken.«
    Er brachte es nicht übers Herz, Addie zu sagen, was er wirklich dachte: Daß ihm der »Diner« nichts mehr bedeutete, seit Margaret gestorben war. Aber Addie hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß das »Do-Or-Diner« seinem Leben einen Sinn geben würde, den er auf dem Grund einer Wodkaflasche nicht finden konnte. Addie konnte nicht begreifen, daß es keinen Ersatz gab für das, was man verloren hatte.
    Er und Margaret hatten den »Diner« jeden Sommer für eine Woche geschlossen, um mit Addie Urlaub zu machen. Sie waren mit dem Auto in Städtchen gefahren, deren Name sie neugierig machte: Cape Porpoise in Maine, Egypt in Massachusetts, Pa Paw in Michigan, Defiance in Ohio.
    Manchmal machte Roy unterwegs auf einen Schwarm Kanadagänse aufmerksam, einen hoch aufragenden, dunkelrot leuchtenden Berg, ein Weizenfeld im Sonnenlicht – und wenn er dann nach hinten zu seiner Tochter schaute, war sie auf dem Rücksitz eingeschlafen und ließ die ganze Welt an sich vorbeiziehen. »Auf der Fahrspur neben uns ist ein Elefant!« rief er dann, oder »Der Mond fällt vom Himmel!«, alles mögliche, nur damit Addie ihre Umgebung wahrnahm.
    »Der Mond fällt vom Himmel«, murmelte Roy jetzt.
    »Was?«
    »Ich habe gesagt, ja, es hat auch Vorteile, hier zu sein.«
    Ein Gast kam herein und die Glocke über der Tür klingelte. »Hallo«, rief Addie, ihr Lächeln aufgesetzt wie die Halloweenmaske eines Kindes. Als

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