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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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und deine Mutter steht im Tor.«
    Die Schritte des Wachmanns, der in Richtung des Stimmenlärms hastete, hallten über den Korridor. Jack schloß das Buch, in dem er las, und ging zu dem Tisch, wo die beiden Männer sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf warfen. Er nahm dem einen die Fernbedienung aus der Hand, setzte sich auf den Stuhl direkt vor dem Fernseher und schaltete ›Jeopardy!‹ ein.
    Der Titel der Hindu-Fürsten, der im Altindischen »König« bedeutete.
    Hinten aus dem Raum rief ein Häftling: »Was ist Radscha?«
    Die beiden Länder mit dem höchsten Anteil an schiitischen Muslimen.
    »Was sind der Iran und Saudiarabien?« sagte Aldo und nahm neben Jack Platz.
    Der Mann, der Hockey sehen wollte, ließ sich hinter ihnen auf einen Stuhl nieder. »Was sind der Iran und der Irak?« korrigierte er. »Bist du blöd oder was?«
    Der Wachmann machte auf dem Absatz kehrt. Und Jack, der die Fernbedienung wie ein Zepter auf dem Oberschenkel hielt, kannte jede Antwort auswendig.

Ende März 2000
Salem Falls,
New Hampshire
    In den vergangenen drei Wochen hatte Jack jeden Morgen, wenn er in Roy Peabodys Gästezimmer aufgewacht war, zum Fenster hinausgeschaut und gesehen, wie Stuart Hollings – Stammgast im »Diner« – seine holsteinische Kuh zum Frühsport in dem kleinen Park herumführte. Der alte Mann war jedesmal um Punkt halb sechs da, am Halfter das friedliche Tier, das brav dahintrottete wie ein treuer Hund.
    Als an diesem Morgen der Wecker klingelte und Jack nach draußen schaute, sah er nur ein einsames Auto die Main Street hinunterfahren und Matschpfützen, die wie kleine Teiche dalagen. Er ließ den Blick über den Park wandern, aber Stuart und seine Kuh waren nirgends zu sehen.
    Achselzuckend zog er sich ein frisches T-Shirt und Boxershorts an – erstanden von seinem ersten Gehalt – und trat in die Diele.
    Roy, der aus dem Badezimmer kam, erschrak, als er Jack sah. »Ach, du lieber Himmel«, sagte er und blickte ein zweites Mal hin. »Ich hab geträumt, du wärst gestorben.«
    »Das muß ja ein schrecklicher Alptraum gewesen sein.«
    Roy ging weiter. »Nicht so schrecklich wie die Erkenntnis, daß es nur ein Traum war.«
    Jack grinste und ging ins Badezimmer. Sobald er das Gästezimmer bezogen hatte, war ihm klar geworden, daß Roy seit einer Ewigkeit mit niemandem mehr unter einem Dach gewohnt hatte. Im Gegensatz zu Jack, der acht Monate Übung im Zusammenleben mit anderen Männern hatte. Folglich tat Roy, was er nur konnte, um Jack nicht heimisch werden zu lassen. Er verlangte von ihm, daß er seine eigenen Lebensmittel kaufte – sogar Ketchup und Salz – und sie mit seinen Initialen versah, bevor er sie in den Kühlschrank oder ins Regal räumte. Er versteckte die Fernbedienung, damit Jack sich nicht einfach aufs Sofa setzen und durch die Fernsehkanäle schalten konnte. Das alles wäre Jack möglicherweise mit der Zeit auf die Nerven gegangen, wenn der alte Mann nicht jeden Morgen für ihn den Frühstückstisch mit gedeckt hätte.
    Bevor er sich jetzt zu Roy gesellte, der schon seine Schokoflakes aß, schaute Jack kurz zum Fenster hinaus.
    »Was suchst du?«
    »Nichts.« Jack nahm Platz und schüttete sich etwas Müsli in seine Schüssel, stellte dann die Packung zwischen ihnen beiden auf wie eine Barriere. Eine Frühstücksflockenfestung, hatte er als kleiner Junge gesagt. Über die Kartonwand hinweg sah er, daß Roy sich eine zweite Portion Schokoflakes nahm. »Das Zeug bringt Sie noch um.«
    »Oh, prima. Ich hätte auf Leberzirrhose getippt.«
    Jack schaufelte sich einen Löffel Müsli in den Mund. Er fragte sich, ob Stuart vielleicht in Urlaub gefahren war. »Also«, sagte er. »Wie bin ich gestorben?«
    »In meinem Traum, meinst du?«
    »Ja.«
    Der alte Mann beugte sich vor. »An der Krätze.«
    »Krätze?«
    »Allerdings. Die kriegt man von Wanzen – Milben –, die einem unter die Haut kriechen. Die dringen in den Blutkreislauf und legen ihre Eier ab.«
    »Danke«, sagte Jack trocken. »Ich weiß, was Krätze ist. Aber daran stirbt man nicht.«
    »O doch, Schlauberger. Wann hast du denn zuletzt jemanden gesehen, der die Krätze hatte?«
    Jack schüttelte belustigt den Kopf. »Ich gebe zu – noch nie.«
    »Ich aber – in der Marine. Ein Matrose. Der sah aus, als hätte ihn jemand am ganzen Körper mit einem Bleistift bemalt, Linien, die zwischen den Fingern und den Zehen verliefen und in die Achselhöhlen und bis zu den Geschlechtsteilen, wie eine Landkarte. Er hat sich wund

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