Die Hexenjagd von Salem Falls
auch mal an was anderes als an Sex?«
»Natürlich.« Thomas blickte gekränkt. »Ab und zu mach ich mir Gedanken über die Menschen in der Dritten Welt. Und dann denke ich mir, wenn sie nur alle miteinander Sex hätten, wäre ihr Leben um einiges angenehmer.«
Jordan lachte. Als alleinerziehender Vater hatte er ein ganz anderes Verhältnis zu seinem Sohn als die meisten Eltern zu ihren Sprößlingen. Und vielleicht war es ja seine Schuld. Vor einigen Jahren, als sie noch in Bainbridge wohnten, hatte er Frauen reihenweise mit nach Hause abgeschleppt, Frauen, an deren Namen er sich schon am nächsten Tag nicht mehr erinnern konnte.
Er stellte seine Tasse hin. »Wie heißt das Objekt deiner Begierde noch gleich?«
»Chelsea. Chelsea Abrams.«
Thomas’ Gesichtszüge wurden weicher, und einen Moment lang war Jordan richtig neidisch auf seinen Sohn. Wie lang war das her, daß ihn die Liebe so richtig erwischt hatte?
»Sie hat unglaublich große –«
Jordan räusperte sich.
»– Augen. Groß und braun. Wie Selena.«
Schon allein bei dem Namen verspannten sich Jordans Schultern. Selena Damascus hatte für ihn als Privatdetektivin gearbeitet, als er noch Strafverteidiger in Bainbridge gewesen war. Sie hatte wunderschöne Augen – ein Braun, in dem man sich verlieren konnte. Einmal wäre das Jordan sogar beinahe passiert. Doch mittlerweile hatte er vierzehn Monate nichts mehr von Selena gehört, seit er nach Salem Falls gezogen war und seine Fälle drastisch eingeschränkt hatte.
»Also«, sagte Jordan, um wieder auf das Thema zurückzukommen. »Chelsea ist wunderschön.«
»Sie hat auch was im Kopf. Sie ist in allen Leistungskursen.«
»Klingt vielversprechend. Und wie denkt sie über dich?«
Thomas verzog das Gesicht. »Das ist schon zu optimistisch formuliert. Wahrscheinlich verschwendet sie keinen einzigen Gedanken an mich.«
»Aha, aber dagegen kannst du doch was machen.«
Thomas blickte auf seine dünnen Arme, seine hohle Brust. »Mit meinem unglaublichen Körper?«
»Mit deiner Beharrlichkeit. Glaub mir, ich hab schon zigmal versucht, dich einfach zu vergessen, aber irgendwie kriechst du mir immer wieder ins Hirn.«
»Verbindlichsten Dank.«
»Gern geschehen. Fragst du sie, ob sie mit dir zum Frühlingsball geht?«
»Nee. Ich muß erst noch was an meiner Beharrlichkeit tun, damit ich nicht wie ein Häufchen Elend zusammenklappe, wenn sie mir eine Abfuhr erteilt.« Thomas zog eine Pommes durch einen Ketchupsee und malte Chelseas Initialen. »Selena konnte mir immer tolle Tips über Mädchen geben.«
»Weil sie eben eine Frau ist«, entgegnete Jordan. »Was ist los, Thomas? Warum bringst du immer wieder die Sprache auf sie?«
»Weil ich es schön fände, wenn wir noch Kontakt zu ihr hätten, das ist alles.«
Jordan blickte zum Fenster hinaus auf zwei Hunde, die einander jagten, mit den Schwänzen Spuren in den Schnee zogen. »Das wäre wirklich schön«, sagte er leise. »Aber ich hab meine beste Ermittlerin vor einem Jahr verloren.«
Am Anfang, als Addie Jack beobachtete, sagte sie sich, sie tue es deshalb, weil er ein neuer Mitarbeiter war – sie mußte schließlich darauf achten, daß er das Salz nicht dort ins Regal stellte, wo der Zucker hingehörte, daß er die Spülmaschine so einräumte, daß möglichst viel Geschirr hineinpaßte und möglichst wenig kaputtging. Dann gestand sie sich ein, daß sie Jack einfach deshalb beobachtete, weil sie es wollte. Es faszinierte sie zu sehen, wie er den Fußboden wischte oder wie gebannt er Delilah zuhörte, wenn sie ihm ein Bouillabaisserezept erklärte, als gäbe es für ihn nichts Aufregenderes. Er sah gut aus, zugegeben, aber auch vorher waren schon jede Menge gutaussehender Männer in ihr Restaurant gekommen. Attraktiv an Jack war seine Exotik – daß er hier einfach völlig fehl am Platz wirkte, wie eine Orchidee in der Wüste, und dennoch so tat, als gäbe es für ihn keinen schöneren Ort auf der Welt. Für Addie – die sich mit dem »Diner« untrennbar verwachsen fühlte – war Jack das faszinierendste Geschöpf, das sie je gesehen hatte.
Sie kassierte gerade bei einem Kunden ab, als Jack, der die Theke saubermachte, zum Vorderfenster hinausblickte und plötzlich in die Küche eilte. Neugierig geworden folgte sie ihm und sah, wie er Delilah eine Bestellung reichte.
Addie nahm sie der Köchin aus der Hand. »An Tisch sieben sitzt doch keiner«, sagte sie.
»Aber gleich. Hast du ihn nicht gesehen? Den Jungen mit den langen Haaren und
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