Die Hexenjagd von Salem Falls
Stirn. »Jack, machen Sie von mir aus mit ihnen die Grundausbildung, damit sie sich den Lehrstoff besser einprägen können. Aber sorgen Sie um Himmels willen dafür, daß sie vollständig angezogen sind, bevor Sie sie draußen auf die Hindernisbahn schicken.« Er stapfte davon, drehte sich aber noch einmal um. »Ich weiß, was Sie machen und warum. Aber der Mann, der da drüben die Straße überquert, der erst beim zweiten Akt reingekommen ist – der sieht etwas ganz anderes.«
Jack wartete, bis Herb gegangen war. Dann ging er zu seinen Schülerinnen zurück, die ihn neugierig anblickten.
»Wer hat gewonnen?« fragte Catherine Marsh.
»Tja, Dr. Thayer ist von unserer Aufführung sehr angetan, empfiehlt aber dringend, daß ihr in Schuluniform weitermacht.«
Die Klasse stöhnte geschlossen auf, aber alle sammelten brav ihre Sachen zusammen.
»Nein«, sagte Catherine. »Ich meinte, wer hat den Krieg gewonnen?«
»Den Peloponnesischen Krieg? Keiner. Beide Seiten setzten auf Zermürbungsstrategie, doch auch nach zehn Jahren hatte sich noch keiner ergeben.«
»Sie meinen, sie haben weiter Krieg geführt, bloß weil keiner sich ergeben hat?«
»Ja. Als schließlich der Nikias-Frieden geschlossen wurde, ging es nicht darum, wer recht oder unrecht hatte … sondern darum, die Kämpfe endlich einzustellen.« Er klatschte in die Hände, um sich Gehör zu verschaffen. »So, Leute, die Stunde ist zu Ende.«
Die Mädchen entfernten sich grüppchenweise. Jack sah ihnen nach und dachte Schönheit ist Wahrheit und Wahrheit Schönheit . Als er ihnen folgte, spürte er plötzlich etwas unter seinem Schuh. Ein hauchdünner Stoff, ein roter Seiden-BH, den eines der Mädchen verloren hatte. Am Innensaum war ein Namensschildchen eingenäht. CATHERINE MARSH , las Jack. Verlegen steckte er ihn in seine Tasche.
Melton Spriggs Kanzlei war alles andere als beeindruckend. Sie lag über dem Chinarestaurant in Loyal und roch auch danach. Eine Klimaanlage gab es nicht, Fußboden, Schreibtisch und der einzige Aktenschrank waren mit Papieren übersät. »Ich muß das Chaos endlich mal beseitigen«, keuchte er, während er einen Stapel Zeitschriften wegräumte, damit Jack Platz nehmen konnte.
Für einen Moment verspürte Jack den Impuls, gleich wieder das Weite zu suchen.
»Also«, sagte Melton, »was kann ich für Sie tun?«
Jack merkte plötzlich, daß ihm die Worte förmlich am Gaumen klebten. »Ich muß mit einer Anklage rechnen.«
Melton grinste. »Da sind Sie bei mir genau richtig. Wenn Sie gesagt hätten, Sie wollten eine Portion Chop-suey, müßte ich Sie eine Etage tiefer schicken. Weshalb rechnen Sie mit einer Anklage?«
»Weil die Polizei das gesagt hat. Ich wurde vor ein paar Tagen zu einem … Gespräch aufs Revier gebeten. Ein Mädchen … eine Schülerin von mir … hat behauptet, sie und ich … hätten …«
Melton pfiff durch die Zähne. »Ich kann’s mir schon denken.«
»Es ist nicht wahr«, sagte Jack mit Nachdruck.
Der Anwalt gab ihm seine Karte. »Mit der Frage beschäftigen wir uns, wenn es soweit ist.«
Trotz der Hitze ging Jack joggen. Er lief zwei Meilen, vier, sechs. Schweiß rann ihm in die Augen, und er atmete die Luft in tiefen Zügen ein. Er ließ den Ort hinter sich und lief immer weiter. Er umrundete zweimal einen Teich. Als ihm klar wurde, daß er, so sehr er es auch wollte, seiner Angst nicht davonlaufen konnte, ließ er sich am Ufer zu Boden fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte.
Catherine Marsh konnte sich noch ganz deutlich an das erste Mal erinnern, als Jack St. Bride sie berührt hatte.
Sie war als Stürmerin auf das gegnerische Tor zugelaufen und wollte gerade zum Schuß ansetzen, als eine Verteidigerin der Gegenmannschaft sich ihr entschlossen entgegenwarf. Sie stießen so heftig mit den Köpfen zusammen, daß es hörbar knallte, das letzte Geräusch, das Catherine wahrnahm, bevor sie das Bewußtsein verlor. Als sie wieder zu sich kam, war der Coach über sie gebeugt, sein goldenes Haar wie ein Heiligenschein im Sonnenlicht, so sahen die Helden im Kino aus. »Catherine«, sagte er, »ist alles in Ordnung?« Zuerst hatte sie nicht antworten können, weil er sie mit den Händen abtastete, um zu sehen, ob sie sich etwas gebrochen hatte. »Ich glaube, dein Knöchel schwillt an«, sagte er. Dann hatte er ihr den Fußballschuh und die Socke ausgezogen und ihren verschwitzten Fuß untersucht, wie Aschenputtels Prinz. »Wunderbar«, sagte er zufrieden, und Catherine dachte,
Weitere Kostenlose Bücher