Die Hexenjagd von Salem Falls
Wahrheit?«
»Du weißt schon … daß wir zusammensein werden.«
Seine Augen blitzten. »Vor oder nach dem Knast?«
»Oh, Jack«, flüsterte Catherine und wollte ihn umarmen.
Er wich zurück, wollte sie weder berühren noch von ihr berührt werden. Und schließlich hielt Catherine inne. Obwohl sie nach ihm rief, ging er weiter rückwärts, die Handflächen gehoben, als sähe er kein junges Mädchen mehr, sondern eine Giftschlange, die in dem Moment zuschlagen könnte, wenn er am wenigsten damit rechnete.
»Natürlich ist sie verängstigt«, sagte die Staatsanwältin freundlich zu Reverend Marsh. Loretta Winwood faltete geduldig die Hände. »Wenn sie keine Scheu hätte auszusagen, würde ich mir über ihre Beweggründe Sorgen machen. Aber es ist normal, daß minderjährige Zeugen zurückschrecken, wenn’s ernst wird. Eine zögerliche Zeugin ist in einem Prozeß wegen sexuellen Mißbrauchs an einer Schutzbefohlenen sogar ausgesprochen überzeugend.«
»Aber Sie haben sie doch gehört! Sie sagt, sie hat das Ganze erfunden.«
Loretta ließ dem Mann einen Moment Zeit, sich zu beruhigen. Armer Kerl, nicht leicht zu erfahren, daß die eigene Tochter eine Affäre mit einem Lehrer hatte, um sich dann wenige Tage später anhören zu müssen, wie sie reumütig alles zurücknahm. In solchen Augenblicken kam sie sich fast vor wie eine Therapeutin. »Reverend Marsh, glauben Sie ihr?«
»Meine Tochter ist ein gutes, christliches Mädchen.«
»Ja, aber entweder ist diese sexuelle Affäre gelogen … oder es ist gelogen, daß sie sie erfunden hat.«
Marsh preßte sich die Finger an die Schläfen. »Ich weiß es nicht, Miss Winwood.«
»Aus welchem Grund sollte Catherine sich eine Affäre mit ihrem Lehrer ausdenken?«
»Ich wüßte keinen.«
»Also schön. Nehmen wir mal an, daß sie eine Beziehung mit Dr. St. Bride hatte oder noch hat, so empörend der Gedanke auch ist. Aus welchem Grund sollte sie ihr Geständnis plötzlich zurücknehmen?«
Marsh schloß die Augen. »Um ihn zu retten.«
Loretta nickte. »Geschlechtsverkehr mit unter Sechzehnjährigen ist vor allem deshalb vom Gesetz untersagt, weil Minderjährige sich leicht manipulieren lassen. Was Ihre Tochter mir vorhin erzählt hat – nun, so was erlebe ich sehr häufig, Reverend Marsh. Leider sind diese Mädchen wirklich verliebt. Und sobald sie ihre Verliebtheit triumphierend bekanntmachen und das Objekt ihrer Zuneigung dann in Handschellen abgeführt wird, fragen sie sich plötzlich, ob sie nicht besser den Mund gehalten hätten.«
»Können … können Sie sie zwingen, als Zeugin auszusagen?«
»Ich kann sie in den Zeugenstand zwingen, aber wenn sie nicht aussagen will, sagt sie nicht aus. Deshalb kommt es in vielen solcher Fälle gar nicht erst zum Prozeß.« Sie schloß die Akte, die sie vor sich liegen hatte. »Wenn Catherine den Geschworenen erzählt, daß diese Affäre nur ein Produkt ihrer Phantasie war, kann ich das nicht aufgrund ihrer früheren Aussage in Zweifel ziehen. Wir haben zwar belastende Beweise in der Hand … aber ausschlaggebend ist allein Catherines Aussage. Und so leid es mir tut, aber Jack St. Bride wird dann aller Wahrscheinlichkeit freigesprochen – und höchstwahrscheinlich erneut ein minderjähriges Mädchen verführen.«
Marshs Gesicht bekam rote Flecken. »Eines Tages wird er in der Hölle schmoren.«
Hier lag eine gesetzliche Grauzone vor. Falls Catherine heute gelogen hatte, als sie sagte, sie habe niemals Sex mit St. Bride gehabt, handelte es sich dabei eigentlich nicht um einen entlastenden Beweis. Das bedeutete, daß ihr Geständnis nicht an die Verteidigung übergeben werde mußte … was bedeutete, daß Melton Sprigg nicht erfahren würde, daß Catherine nicht bereit war, gegen seinen Mandanten auszusagen. »Keine schlechte Aussicht«, sagte Loretta. »Aber möglich, daß wir ihm schon früher die Hölle auf Erden bereiten können.«
»Die Staatsanwaltschaft will eine Absprache? So etwas wie ein Deal?« fragte Jack. »Bedeutet das nicht, daß denen allmählich mulmig wird?«
Der Anwalt schüttelte den Kopf. »Die meisten Fälle, die vor Gericht kommen … na ja, rund zehn Prozent gewinnt die Staatsanwaltschaft, und rund zehn Prozent verliert sie. Aber das Gros – achtzig Prozent – liegt irgendwo in der Mitte. Die Staatsanwaltschaft bietet routinemäßig eine Absprache an, weil das zumindest einen Schuldspruch garantiert.«
»Und wozu gehöre ich, Melton? Zu den zehn Prozent, die gewinnen, oder zu den zehn
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