Die Hexenjagd von Salem Falls
Prozent, die verlieren?«
»Bei Ihnen würde ich sagen, eher fünf Prozent auf beiden Seiten, neunzig Prozent in der Mitte. Bei Sexualdelikten steht nun mal oft ein Wort gegen das andere. Schuldspruch oder Freispruch könnte davon abhängen, ob die Geschworenen an dem Tag gut gefrühstückt haben.«
»Eine Absprache kommt für mich nicht in Frage«, sagte Jack. »Ich gestehe nichts, was ich nicht getan habe.«
»Nun hören Sie doch erst mal zu, was ich zu sagen habe, ja? Ich bin nämlich verpflichtet, Sie darüber zu informieren.« Melton reichte ihm das Fax. »Die Staatsanwaltschaft wäre bereit, die Anklage auf Verführung einer Minderjährigen zu reduzieren. Acht Monate Gefängnis ohne Bewährung. Das ist ein gutes Geschäft, Jack.«
»Es ist ein gutes Geschäft für jemanden, der schuldig ist!« rief Jack. »Ich hab das Mädchen nicht angerührt, Melton. Sie lügt.«
»Glauben Sie, Sie können zwölf Geschworene davon überzeugen? Wollen Sie sich wirklich auf dieses russische Roulette einlassen?« Er hob Jacks Tasse, nahm die darunter liegende Serviette und zeichnete in der Mitte einen senkrechten Strich. Darüber schrieb er PRO und KONTRA . »Schauen wir uns mal an, was passiert, wenn Sie vor Gericht gehen. Im besten Fall werden Sie freigesprochen. Im schlimmsten Fall werden Sie wegen eines Kapitalverbrechens verurteilt und wandern sieben Jahre in den Knast.«
»Ich dachte, die Strafe wäre mindestens dreieinhalb und höchstens sieben Jahre.«
»Nach dreieinhalb Jahren können Sie unter bestimmten Voraussetzungen entlassen werden, aber nur, wenn Sie an dem Therapieprogramm für Sexualstraftäter teilnehmen.«
Jack zuckte die Achseln. »Ist das sehr unangenehm?«
»Sie kommen nicht mal rein, wenn Sie nicht offen und ehrlich zu Ihrer sexuellen Straftat stehen. Das bedeutet, Sie müssen gleich zugeben, daß Sie auf kleine Mädchen stehen.«
»Das ist doch Schwachsinn«, sagte Jack.
»Sie sind schließlich ein verurteilter Straftäter. In den Augen des Ausschusses, der über Ihren Antrag auf vorzeitige Haftentlassung entscheidet, haben Sie die Straftat begangen. Basta. Und Ihr Antrag wird abschlägig beschieden, wenn man Sie als nicht therapiegeeignet einstuft.«
Jack drückte den Daumennagel in eine Kerbe am Tisch. »Die Absprache«, brachte er hervor. »Was spricht dafür?«
»Erstens, Sie sitzen acht Monate ab, Schluß aus. Auch wenn Sie ständig Ihre Unschuld beteuern, läßt man Sie trotzdem erst nach acht Monaten raus. Zweitens, Sie werden während Ihrer Haftzeit auf einer Farm arbeiten. Das heißt außerhalb der Anstalt. Das ist kein Vergleich zum Strafvollzug hinter Schloß und Riegel. Nach Abbüßung Ihrer Strafe sind Sie frei und machen da weiter, wo Sie aufgehört haben.«
»Aber dann bin ich vorbestraft.«
»Wegen eines minderschweren Deliktes«, stellte Melton klar. »Nach zehn Jahren können Sie die Vorstrafe löschen lassen, und Sie sind wieder ein unbeschriebenes Blatt. Bei einer Verurteilung wegen eines sexuellen Kapitalverbrechens dagegen werden Sie die Vorstrafe Ihr Lebtag nicht mehr los.«
Erschrocken merkte Jack, daß ihm fast die Tränen kamen. »Acht Monate. Das ist verdammt lange.«
»Es ist weitaus weniger als sieben Jahre.« Als Jack den Blick abwandte, seufzte der Anwalt. »Falls es Ihnen ein Trost ist, es tut mir leid, daß Sie in diesen Schlamassel geraten sind.«
Jack sah ihm ins Gesicht. »Ich habe nichts Unrechtes getan.«
»Acht Monate«, erwiderte Melton. »Eh Sie sich’s versehen, sind Sie wieder draußen.«
Im Gerichtssaal meinte Jack, unter Klaustrophobie zu leiden. Die Wände neigten sich auf ihn zu, und die Luft, die er durch die Zähne sog, blieb ihm wie ein Klotz in der Magengrube liegen. Er stand neben Melton Sprigg, den Blick unverwandt auf Richter Ralph Greenlaw gerichtet, dessen Tochter seit drei Jahren Torhüterin der von Jack trainierten Fußballmannschaft war. Von einem unvoreingenommen Prozeßvorsitzenden konnte also keine Rede sein. Der Mann brauchte ihn nur anzublicken, und er konnte ihm förmlich ansehen, was er dachte: Statt Catherine Marsh könnte seine eigene Tochter am Tisch der Staatsanwaltschaft sitzen.
Der Richter überflog das Blatt mit der von beiden Parteien ausgehandelten Einigung, die Jack mit seiner Unterschrift abgesegnet hatte, als hätte er seine Seele verkauft. »Haben Sie diesen Antrag gelesen, bevor Sie ihn unterzeichnet haben?«
»Ja, Euer Ehren.«
»Ist irgendeine Form von Druck oder Gewalt auf Sie ausgeübt worden, um
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