Die Hexenjagd von Salem Falls
Sie dazu zu bewegen, sich der Ihnen zur Last gelegten Straftat schuldig zu bekennen, oder sind Ihnen zu demselben Zweck Versprechungen gemacht worden?«
Jack dachte an die Pro- und Kontraliste. Er hatte die Serviette mitgenommen und sie am Tag darauf in der Toilette hinuntergespült. »Nein.«
»Ist Ihnen klar, welche Rechte Sie aufgeben, wenn Sie sich schuldig erklären und auf einen Prozeß verzichten?«
Und ob , dachte Jack. Das Recht, mein Leben so zu leben, wie ich es mir vorgestellt habe . »Ja«, sagte er.
»Ist Ihnen klar, daß Sie das Recht auf einen Anwalt haben?«
»Ist Ihnen klar, daß Sie das Recht auf einen Prozeß mit Geschworenen haben?«
»Ist Ihnen klar, daß die Geschworenen nur einstimmig zu einem Schuldspruch gelangen können?«
»Sind widerrechtlich erlangte Beweismittel eingesetzt worden, um diesen Schuldspruch zu erreichen?«
Er spürte, wie Melton den Atem anhielt, als der Richter die nächste Frage stellte. »Bekennen Sie sich schuldig, weil Sie schuldig sind?«
Jack brachte keine Silbe heraus.
Catherine konnte das alles nicht ertragen – den massigen Körper ihres Vaters, der gegen sie lehnte, die stoische Resignation, mit der Jack neben seinem Anwalt saß, die Wahrheit, daß sie das alles hier ins Rollen gebracht hatte. Und als sie es wiedergutmachen wollte, war es zu spät gewesen. Niemand wollte etwas davon wissen, daß sie alles nur erfunden hatte. Die Staatsanwältin und ihr Vater und die hinzugezogene Psychologin hatten gesagt, es sei ganz normal, daß sie Jack vor dem Gefängnis bewahren wolle, aber daß er nun mal für seine Tat bestraft werden müsse.
Ich , dachte Catherine. Ich muß bestraft werden .
Sie hätte alles dafür gegeben, alles ungeschehen zu machen, aber sie konnte ihre Worte nicht zurücknehmen.
Sie fühlte sich, als hätte sie Helium geschluckt. »Tut ihm das nicht an!« rief sie.
»Catherine, setz dich hin.« Ihr Vater packte sie am Arm. Die Staatsanwältin und der Richter fuhren fort, als hätten sie mit einem solchen Zwischenruf von ihr gerechnet.
Der Richter nickte dem Gerichtsdiener zu. »Bitte bringen Sie Miss Marsh aus dem Saal«, sagte er, und plötzlich führte ein stämmiger Mann sie sanft nach draußen, wo sie nicht länger Zeugin des von ihr ausgelösten Tollhauses sein mußte.
Es war, als hätte Catherine kein Wort gesagt. »Mr. St. Bride«, wiederholte der Richter, »geben Sie zu, daß Sie zu Catherine Marsh eine sexuelle Beziehung hatten?«
Jack spürte die Augen von Reverend Marsh im Nacken. Er öffnete den Mund, um es abzustreiten, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er sich in Erinnerung rief, was sein Anwalt ihm eingebleut hatte: Nach Abbüßung Ihrer Strafe sind Sie frei und machen da weiter, wo Sie aufgehört haben .
Jack würgte, bis ihm die Tränen kamen, bis Melton ihm auf den Rücken klopfte und den Richter bat, seinem Mandanten einen Augenblick zu gewähren, um die Fassung zurückzugewinnen. Er hustete und räusperte sich, doch irgend etwas schien festzusitzen, wie ein Knochen, an dem er zu ersticken drohte. »Hier«, flüsterte Melton und reichte Jack ein Glas Wasser, doch der schüttelte nur den Kopf. Auch wenn er einen Ozean leer trinken würde, der Stolz, der ihm im Hals steckte, löste sich nicht auf.
»Mr. St. Bride«, sagte der Richter, »geben Sie zu, die Straftat begangen zu haben?«
»Ja, Euer Ehren«, antwortete Jack mit einer Stimme, die nicht seine eigene war. »Ich gebe es zu.«
Ende April 2000
Salem Falls,
New Hampshire
Selena Damascus trat so fest gegen den Reifen ihres Jaguars, daß ihr der Schmerz das Bein hochschoß. »Verdammt«, brüllte sie so laut, daß Jordan und der Automechaniker zusammenzuckten.
»Geht’s dir jetzt besser?« fragte Jordan, der an einem Werkzeugschrank lehnte.
»Halt den Mund. Halt einfach den Mund. Weißt du, wieviel Geld ich in die Karre gesteckt habe?« tobte Selena. »Weißt du das eigentlich?«
»Jeden lausigen Cent, den ich dir je bezahlt habe.«
Sie wandte sich an den Mechaniker. »Für den Kostenvoranschlag, den Sie mir genannt haben, könnte ich mir einen nagelneuen Chevrolet kaufen.«
Dem Mann war sichtlich unwohl zumute, was Jordan gut verstehen konnte. Selena war schon nicht ohne, wenn sie guter Laune war, aber geradezu furchteinflößend, wenn sie wütend war. »Ähm, da wäre noch was«, stammelte der Mechaniker.
»Lassen Sie mich raten«, sagte Selena. »Sie haben niemanden, der einen Jaguar reparieren kann.«
»Nein, das ist kein
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