Die Hexenjagd von Salem Falls
machte Charlie Aufnahmen von den Verletzungen an Jacks Stirn und von seinem geschwollenen Auge, bevor er einen langen Kratzer auf St. Brides Wange in Augenschein nahm – den ihm Gillian, wie sie gesagt hatte, zugefügt hatte, als sie sich verzweifelt zur Wehr setzte.
Charlie hatte auch einen richterlichen Beschluß für Jacks Person, was bedeutete, daß er ihm eine Blut- und Haarprobe abnehmen lassen durfte. Als er jetzt mit St. Bride zum Krankenhaus fuhr, warf er einen Blick in den Rückspiegel. Der Mann, der im Fond saß, starrte tief in Gedanken zum Fenster hinaus. »Kommen Sie ins Grübeln, Jack?« sagte Charlie im Plauderton. »Oder übermannt Sie das schlechte Gewissen?«
St. Bride blickte ihm im Rückspiegel in die Augen. »Fahr zur Hölle«, murmelte er.
Charlie lachte. »Vielleicht später. Wenn wir im Krankenhaus fertig sind.«
Jack wurde in Handschellen in die Notaufnahme geführt, wo eine Krankenschwester ihm Blut abnahm. Charlie versah die Blutprobe mit seinen Initialen, um zu bestätigen, daß alles vorschriftsmäßig unter seiner Aufsicht erfolgt war. Als Jack vom Untersuchungstisch gleiten wollte, schüttelte Charlie den Kopf. »Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.« Er streifte sich einen Gummihandschuh über und riß St. Bride ein Büschel Kopfhaare aus.
»Das tut weh!«
»Sie Ärmster«, knurrte Charlie und tat die Haare in einen Umschlag.
Jack funkelte ihn an. »Sind wir jetzt fertig?«
»Nein. Hose runter.«
»Ich denk nicht dran.«
Charlie blickte ihn ruhig an. »Entweder ich reiß Ihnen ein paar Schamhaare aus oder Sie machen es selbst.« Langsam streckte Jack ihm die Handgelenke entgegen und schüttelte die Handschellen. »Dafür brauchen Sie nicht viel Bewegungsfreiheit«, sagte Charlie. »Sie legen mich nicht rein.«
Jack holte tief Luft, knöpfte sich die Jeans auf und griff in seine Boxershorts. Die Handschellen verfingen sich an den Knöpfen, aber Charlie tat, als bemerke er es nicht. Wenn der Scheißkerl sich aus Versehen den Schwanz abschnitt, wäre die Welt ein wenig sicherer. Jack zuckte, als er sich das erste Haar ausriß, und tat es auf ein Blatt weißes Papier, das Charlie bereitgelegt hatte. »Wie viele?«
Für eine DNA -Analyse reichten fünf, höchstens zehn vollkommen aus. Charlie blickte Jack unverwandt in die Augen. »Dreißig«, sagte er und lehnte sich zurück.
1. Mai 2000
Salem Falls,
New Hampshire
Matt Houlihan hatte die Instinkte eines Pitbull und ein Gesicht wie der nette Junge von nebenan, was ihm als stellvertretendem Staatsanwalt eine erstaunlich hohe Erfolgsrate einbrachte und bei so manchem Strafverteidiger den geheimen Wunsch geweckt hatte, ihn im Schlaf zu erdrosseln. Als er nun um sieben Uhr früh im Gericht von Grafton County vor einem Besprechungsraum stand und hörte, wie ein äußerst unangenehmer Verteidiger mit seinem ebenfalls unangenehmen Mandanten lautstark stritt, schloß er die Augen und dachte an Molly.
Er konnte sich ihre kornblumenblauen Augen und ihre weiche Haut ebenso bildhaft vorstellen wie den süßen Geruch, den er einatmete, wenn er das Gesicht an ihrem Hals vergrub. Sie hielt ihn die ganze Nacht auf Trab, aber das machte ihm nichts. Er war unsterblich in sie verliebt. Und das seit ihrer Geburt vor sechs Monaten.
Es hatte ihm schon immer große Genugtuung bereitet, einen Schuldspruch zu erreichen, doch jetzt, da er eine kleine Tochter hatte, war er regelrecht besessen. Er wollte jeden Kriminellen hinter Schloß und Riegel bringen, damit Molly, wenn sie mal auf eigenen Füßen stand, in Sicherheit leben konnte. Seine Frau Sydney sagte, er wäre der prädestinierte Bluthochdruckpatient und er könne nicht Supermann spielen, um allein die Welt zu retten. »Du wirst dich wundern«, hatte er erwidert.
Matt verschränkte die Arme und hegte den sehnlichen Wunsch, den Fall endlich loszuwerden. Der Angeklagte war mit Drogen erwischt worden, und daß Matt ihm Strafmilderung bei einem Schuldbekenntnis angeboten hatte, war zumindest in seinen Augen ein bemerkenswerter Akt der Gnade. Der Verteidiger hatte dennoch versucht, die Anklage zu beschränken. Matt hatte abgelehnt, war aber dann auf den Flur gegangen, damit der Anwalt mit seinem Mandanten unter vier Augen sprechen konnte.
»Nein«, sagte der Mandant zum vierten Mal. »Da mach ich nicht mit.«
Matt verdrehte die Augen und ging wieder ins Besprechungszimmer. Er riß dem Angeklagten das Formular aus der Hand, zerriß es und ließ die Schnipsel über das nach oben gewandte,
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