Die Hexenjagd von Salem Falls
Matt legte die Fingerspitzen aneinander, eine entspannte Geste, die im völligen Widerspruch zu der unerbittlichen Entschlossenheit in seinen Augen stand. »Ein junges Mädchen sagt aus, von einem Typ vergewaltigt worden zu sein, einem Typ, der vor kurzem noch wegen einer Sexualstraftat gesessen hat. Es gibt nichts mehr zu bereden, Jordan. Ich bringe Ihren Mandanten für zwanzig lange Jahre ins Kittchen.«
Sowie Jordan McAfee den Zellentrakt im Untergeschoß des Gerichtsgebäudes betrat, stand Jack auf. Jordan blickte ihm sofort in die Augen, was die Mitarbeiter des Sheriffs, die für die Zellen verantwortlich waren, tunlichst vermieden. »Hi, Jack«, sagte er sanft. »Ich weiß, wir sind uns schon mal begegnet, aber vermutlich wissen Sie nicht, warum ich hier bin. Ich bin seit rund zwanzig Jahren Rechtsanwalt, und gelegentlich bestellt das Gericht mich zum Pflichtverteidiger, wenn Not am Mann ist. Ich soll Sie vertreten.«
Jack öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Jordan hob eine Hand. »Heute morgen können wir nichts machen; wichtig ist nur, daß wir auf der Hut sind. Wir werden zu dem Fall kein Wort sagen, und wir werden den Richter um nichts bitten.«
»Sie müssen mich gegen Kaution hier rausholen.«
»Jack, Sie sind vorbestraft. Ihre Chancen, hier rauszuspazieren, sind gleich Null. Sie müssen mir vertrauen –«
»Ihnen vertrauen? Ihnen vertrauen ?« Jacks Augen blickten wild. »Ich kenn Sie ja nicht mal.«
Jordan schwieg einen Moment. »Sie wissen, daß ich meinen Kaffee mit Milch trinke und daß ich die ›New York Times‹ und nicht den ›Globe‹ lese. Sie wissen, daß ich zwanzig Prozent Trinkgeld gebe, jedesmal. Das ist mehr, als die meisten Angeklagten über ihre Anwälte wissen. Also, ich hab Sie nicht in diese Zelle gebracht … Das haben Sie ganz allein bewerkstelligt.«
»Ich will nicht wieder ins Gefängnis«, sagte Jack verzweifelt. »Ich bin unschuldig.«
Jordan betrachtete Jacks unordentliche Kleidung, die aufgerissenen Augen, den langen Kratzer an der Wange und ließ die Worte von sich abprallen. Er hatte diesen Satz nur zu oft von seinen Mandanten gehört. »Ich verstehe ja, daß Sie jetzt aufgewühlt sind. Bringen wir erst mal das Anklageeröffnungsverfahren über die Bühne, und dann sehen wir weiter, wie Ihre Chancen stehen.«
»Das letzte Mal, daß ein Anwalt das zu mir gesagt hat, bin ich für acht Monate in den Knast gewandert.«
Jordan zuckte die Achseln und schwieg. Aber er dachte: Diesmal kommt es noch viel schlimmer .
»Das nenne ich ein Déjà-vu-Erlebnis«, sagte Judge Freeley und schlug erneut die Akte vor sich auf. »Mr. St. Bride, wie ich sehe, werden Sie jetzt von Mr. McAfee vertreten.«
Jordan erhob sich und knöpfte sich das Jackett zu. »Ja, Euer Ehren. Ich habe meinem Mandanten die Anklageschrift erläutert, und er hat sie gelesen und verstanden. Mein Mandant bekennt sich nicht schuldig.«
»Schön«, sagte der Richter. »Gibt es einen Antrag auf Haftverschonung gegen Kaution?«
Matt Houlihan hob seinen schlaksigen Körper aus dem Stuhl und warf einen Blick auf Jack. »Es geht hier um eine schwere Gewalttat, Judge. Darüber hinaus ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft und hat keinerlei enge Bindung an die Gemeinde – er ist erst vor kurzem hergezogen, hat keine Angehörigen hier, hat keinen Haus- oder Grundbesitz –, weshalb erhöhte Fluchtgefahr besteht. Darüber hinaus, Euer Ehren, stellt er eine Gefahr für die Menschen hier dar, falls er auf freien Fuß gesetzt wird. Dieser Mann wird angeklagt, sich brutal an einem jungen Mädchen vergangen zu haben, und er wurde schon einmal wegen eines Sexualdeliktes schuldig gesprochen. Es ist nicht auszuschließen, daß er sich im Falle einer Haftverschonung ein weiteres Opfer sucht. Aus diesen Gründen, Euer Ehren, beantragt der Staat, daß eine Freilassung gegen Kaution nicht gewährt wird.«
Der Richter wandte sich dem Tisch der Verteidigung zu. »Mr. McAfee?«
»Ich habe keinerlei Einwände, Euer Ehren.«
Judge Freeley nickte. »Gut, dann –«
»Der Grund«, fiel ihm Jordan ins Wort, »warum ich keine Freilassung gegen Kaution beantrage, ist ganz einfach der, daß es sicherer für meinen Mandanten ist. Sie sehen hier einen Mann, der durch Gerüchte und Mutmaßungen seiner Bürgerrechte beraubt wird – einen Mann, der keine Straftat begangen hat, aber zum Straftäter abgestempelt wird. Euer Ehren, die Bürger von Salem Falls haben Jack St. Bride seit seiner Ankunft gehetzt wie ein
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