Die Hexenjagd
dunkler Magie bist, solltest du dich vielleicht auf die Suche nach Scarlett machen.«
Adam zuckte verblüfft zusammen. Cassie ebenfalls. Sie hätte nicht gedacht, dass das Gespräch des gestrigen Abends über das Band und Scarlett ihr immer noch auf der Seele lastete. Schon gar nicht nach Adams romantischer Geste vor der Versammlung. Aber jetzt spürte sie, wie sehr es sie im Inneren schmerzte– umso mehr, da sie und Adam stritten; die Worte waren ihr einfach entschlüpft, bevor sie wusste, was sie sagte.
»Das habe ich damit wirklich nicht gemeint.« Adams Stimme brach und er rang um Fassung. »Wie kannst du so etwas auch nur denken? Du bist doch diejenige, die gestern Nacht gesagt hat, es sei okay. Die gesagt hat: ›Morgen sieht alles gleich ganz anders aus.‹ Nun, heute ist dieser Tag, Cassie, und ich bin immer noch hier und liebe dich.«
Cassie wusste, dass Adam recht hatte. Gestern noch hatte sie versucht, ihm zu versichern, dass Scarlett nicht zwischen ihnen stehen würde, und jetzt machte sie diese Bemühung zunichte. Aber der hitzige Zorn in ihr brachte ihre Gefühle völlig durcheinander.
Was Cassie als Nächstes tat, überraschte sie beide. Sie umfasste Adams Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn so stürmisch, als hinge ihre Beziehung davon ab– und vielleicht war es ja auch so. Cassie kletterte auf Adam und küsste ihn immer leidenschaftlicher, animalischer. Adams Nähe fühlte sich so gut an. Aber Cassie wusste selbst nicht genau, wo das hinführen sollte.
Sobald sie etwas langsamer machte, zog Adam sich sachte zurück und sah ihr verwirrt in die Augen. »Bedeutet das, dass zwischen uns alles in Ordnung ist?«
»Ich will dich nicht verlieren«, antwortete Cassie mit einer Stimme, die in ihren eigenen Ohren fremd klang.
»Du wirst mich nicht verlieren.« Jetzt begann Adam, sie zu küssen, aber diesmal zog Cassie sich zurück.
Sie bedauerte, dass sie Adam angebrüllt hatte, und wollte es mit einem Liebesbeweis wiedergutmachen, aber zugleich fühlte sie sich seltsam entrückt. Plötzlich war sie sich ihrer Gefühle nicht mehr sicher– sie wusste nicht einmal, ob sie überhaupt irgendetwas fühlte. Das Einzige, was sie mit Bestimmtheit wusste, war dies: Sie wollte nichts mehr sagen oder tun, was ihm wehtat.
Cassie richtete sich auf und zog die Knie an die Brust. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Aber ich bin im Moment einfach nicht ich selbst. Besser, du gehst jetzt.«
Adams Gesichtszüge spiegelten eine Mischung aus Enttäuschung und Verwirrung wider, aber er nickte nur und stand auf.
»Okay. Melde dich einfach, wenn es dir besser geht«, antwortete er. Mit einem letzten Blick auf Black Johns Buch, das nach wie vor aufgeschlagen und mit dem Obsidiankristall beschwert auf dem Boden lag, zog er Cassies Tür hinter sich zu und ging.
Als Cassie hörte, wie sich die Haustür hinter Adam schloss, sprang sie aufgeregt auf. Plötzlich wurde ihr alles klar. Dieses Aufwallen von Gefühlen wie eben gegenüber Adam– sie hatte es schon einmal verspürt. Als sie mit dem Buch der Schatten ihres Vaters hantiert hatte.
Sie kniete sich wieder hin und beäugte das Buch. Ihre Finger, die immer noch ein wenig brannten, zitterten vor Erregung. Das Buch hatte Macht über sie– das wusste sie jetzt. Wann immer es ihre Hände verbrannte, wirkte sich das auch auf ihren Geist aus. Es veränderte sie.
Cassie dachte an all die Situationen zurück, in denen sie die Fassung verloren hatte, seit sie das Buch zum ersten Mal geöffnet hatte, an jede Meinungsverschiedenheit mit dem Zirkel, jede Auseinandersetzung mit ihrer Mutter. Jedes Mal hatte sie kurz zuvor das Buch in der Hand gehabt. Und ihr Verhalten Adam gegenüber… Cassie hatte gespürt, wie zerstörerisch sie in diesem Moment gewesen war, und doch außerstande, sich zu bremsen. Sie ergriff das Buch mit beiden Händen und der Obsidiankristall rutschte heraus und fiel zu Boden. Das Buch ist das Problem, dachte Cassie, und zugleich die Lösung. Sie blätterte es auf der Suche nach irgendwelchen Symbolen durch, die ihr bekannt vorkamen. Minuten verstrichen, bevor sie begriff, dass sie das Buch ohne den Kristall in Händen hielt– und ohne verbrannt zu werden.
Cassie begutachtete erstaunt ihre Fingerspitzen. Keine neuen Brandblasen, kein Prickeln. Das hatte sie sich gewünscht, seit sie das Buch zum ersten Mal aus dem Keller geholt hatte. Aber tief im Innern kannte sie den düsteren Grund dafür, warum das Buch ihre Hände nicht länger zurückwies. Ihr
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