Die Hexenjagd
»sehr, sehr vorsichtig, hörst du? Ich möchte, dass du das Buch in Ruhe lässt, bis ich mit der Übersetzung dieser Seiten anfangen kann. Wirst du das tun?«
»Natürlich«, antwortete Cassie und hoffte inständig, dass es ihr tatsächlich gelingen würde.
Als Cassie zum Abendessen nach Hause kam, drang ihr der Geruch von Knoblauch in die Nase. Ihre Mutter stand in der Küche und rührte mit einem Kochlöffel in einem Topf.
»Lass mich raten«, sagte Cassie, während sie ihre Jacke aufhängte. »Italienisch?«
»Spaghetti Bolognese«, antwortete ihre Mutter vom Herd aus.
Ihre Stimme war voller Energie und sie strahlte vor Elan. Vielleicht verlieh ihr die Tatsache, dass sie sich um drei weitere Jugendliche kümmern musste, neuen Schwung, vielleicht sogar neuen Lebenssinn. Zwar waren Faye, Laurel und Nick nicht gerade einfache Gäste, aber es war Mrs Blake anzusehen, dass sie es genoss, sie im Haus zu haben und ihren Teil dazu beizutragen, sie vor den Jägern zu beschützen. Und es freute sie, dass die Freunde ihrer Tochter sogar mehr Zeit in dem geheimen Zimmer verbrachten, als es notwendig gewesen wäre.
Cassie drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange.
»Wofür ist der denn?«
»Darf ich dich nicht einfach ohne Grund küssen?«, gab Cassie zurück.
»Natürlich darfst du, aber das tust du doch sonst nie.« Ihre Mutter lächelte und reichte Cassie eine Zwiebel und ein Messer. »Aber da du mich heute Abend so sehr liebst, darfst du mir in der Küche helfen.«
Cassie zog sich eine Schürze an und begann, die Zwiebel zu hacken, während ihre Mutter sich nach ihren Freunden und der Schule erkundigte. Einen Moment lang befürchtete Cassie schon, ihre Mom wolle das Geständnis aus ihr herauskitzeln, dass sie Black Johns Buch aus dem geheimen Raum geholt hatte. Aber während sie sich unterhielten, begriff sie, dass ihre Mutter nichts davon ahnte. Cassie erzählte ihr von den Ereignissen auf dem Ball und berichtete auch, dass der Schutzzauber gebrochen war und dass Diana mehr Zeit mit Max verbringen wollte, trotz des damit einhergehenden Risikos. Und dann dachte sie an Adam.
»Scarlett rückt immer näher«, sagte Cassie. »Und ich fürchte, dass sie es auf mehr in meinem Leben abgesehen hat als nur auf meinen Platz im Zirkel, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Du meinst doch nicht etwa Adam, oder?«
Cassie nickte und ihre Mom schüttelte mitfühlend den Kopf. »Cassie, es tut mir leid. Ich habe das selbst durchgemacht, und ich weiß, dass es einem die ganze Welt auf den Kopf stellen kann.«
Es war das erste Mal, dass Mrs Blake auf die Sache mit Black John und Scarletts Mutter anspielte. Cassie sagte nichts, in der Hoffnung, dass ihre Mutter noch mehr erzählen würde.
»Und wenn es kein Zirkelmitglied ist«, fuhr sie tatsächlich fort, »sondern jemand, der dem Zirkel nahesteht, dann ist das noch schlimmer. Mit Outsidern umzugehen ist immer am schwierigsten.«
Cassie wischte sich mit dem Unterarm einige Zwiebeltränen aus den Augen. Bedeutete das, dass Scarletts Mutter kein Zirkelmitglied gewesen war? Cassie war davon ausgegangen, dass sie dazugehört hatte.
»Die Spannungen, die dadurch innerhalb des Zirkels ausgelöst werden können, sind brutal«, sprach ihre Mutter weiter. »Ganz gleich, wie stark dieser Zirkel ist. Unser Zirkel war sehr stark, aber es hat uns trotzdem gespalten.«
Sie legte ihren Kochlöffel beiseite und ein liebevoller Ausdruck trat auf ihre Züge. »Tut mir leid«, sagte sie. »Achte nicht auf mich, wenn ich so daherrede. Es ist nur so, dass alte Wunden manchmal wieder aufbrechen.«
»Das ist völlig in Ordnung«, versicherte Cassie ihr. »Es tut mir sogar gut, davon zu hören. Ich kann damit umgehen.«
»Das weiß ich, Schätzchen. Aber deshalb musst du dich nicht auch noch mit den Erlebnissen meiner Vergangenheit auseinandersetzen. Wir haben unterschiedliche Erfahrungen und so soll es bleiben.«
Mrs Blake legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern. »Adam ist ein guter Junge«, fuhr sie fort. »Er ist es wert, dass man um ihn kämpft.«
»Aber was ist, wenn ich den Kampf verliere?«, fragte Cassie.
»Du musst es erst einmal versuchen. Das ist das Einzige, was du tun kannst«, sagte ihre Mutter mit einem liebevollen Blick. »Und dann kommt es, wie es eben kommen muss. Aber letztendlich, Cassie, werden diejenigen, die zusammengehören, auch zusammenkommen.«
Trotz des Kummers, den ihre Mutter erlitten hatte, glaubte sie offensichtlich fest an ihre eigenen
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