Die Hexenjagd
Boden und die Gruppe bildete einen Kreis darum und fasste sich an den Händen. Genau wie beim letzten Mal, als der Zirkel diesen Zauber gewirkt hatte, konzentrierten sich jetzt alle auf das Wasser– auf seine Reinheit und Tiefe und seine spiegelnde Oberfläche. Dann beschworen sie die Elemente.
»Macht des Wassers, ich flehe dich an«, begann Diana. Und dann wiederholte der Zirkel im Chor leise viermal den Suchzauber:
Entdeckt sei, was verloren war,
Verstecke, werdet offenbar!
Alle starrten in den Kessel, während Diana rief: »Möge das Wasser den Ort zeigen, an dem Scarlett sich befindet.«
Dann warteten sie auf die Bilder auf der Wasseroberfläche.
Cassie konzentrierte sich und richtete all ihr Sehnen und Verlangen auf das Wasser. Als dann tatsächlich das erste Bild auftauchte, verspürte sie einen berauschenden Energieschub.
Es war ein altes Haus aus dem 17. Jahrhundert, umschlossen von einem eisernen Zaun mit einem massiven Tor. Das Haus sah eher wie ein Museum denn ein Wohnhaus aus, aber es ähnelte den Häusern in New Salem und auf dem Festland.
Dann sah Cassie eine ihr unbekannte Brücke, so nichtssagend, dass sie überall hätte stehen können. Ebenso schnell, wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder.
Schließlich formte sich ein seltsam erschreckendes Bild auf der Oberfläche des Wassers: ein Mann, dessen Kopf und Füße in den Löchern je eines Holzbrettes feststeckten. Seine Hände waren ihm auf den Rücken gefesselt. Cassie hatte so etwas schon einmal gesehen. Es handelte sich um einen Gefangenen in einem Schandstock– einem Folterinstrument aus der Kolonialzeit. Dann färbte sich das Wasser beunruhigend schwarz.
Cassie war sich nicht sicher, was sie von der seltsamen Abfolge von Bildern halten sollte. Es schien, als hätte der Zauber nicht annähernd so gut funktioniert wie beim letzten Mal. Adams Blick dagegen verriet, dass er etwas damit anfangen konnte. »Ich kann es nicht glauben«, murmelte er. »Sie ist ganz in der Nähe von New Salem.«
»Ich weiß, wo das ist«, bestätigte Nick. »Es ist das alte Missionshaus in Stockbridge gleich auf der anderen Seite der Brücke. Es steht eigentlich leer, aber ich schätze, jetzt nicht mehr.«
»Also, worauf warten wir noch?«, fragte Faye. »Holen wir sie uns.«
»Moment.« Diana blies alle Kerzen aus und löschte den Weihrauch. »Zuerst müssen wir recherchieren, welche Zauber uns gegen Scarlett helfen könnten. Damit wir auf jegliche Konfrontation vorbereitet sind.«
Laurel zog ein Notizbuch hervor und begann, eine Liste anzufertigen. »Wir sollten unsere Verteidigungszauber noch einmal durchgehen. Und die Beschwörungszauber aus der Ferne. Melanie, kannst du herausfinden, welche Kristalle von Nutzen sein könnten?«
Faye schnippte Laurel den Bleistift aus den Fingern. »Vergiss das Ganze. Wir haben doch Cassie.«
Cassie schaute auf den abgenutzten kleinen Teppich hinab; sie wollte Fayes Bemerkung nicht erwidern. Natürlich fieberte Faye vor Ungeduld, die Jäger anzugreifen. Sie wollte unbedingt ihre Markierung loswerden, selbst wenn das bedeutete, dass Cassie sich auf schwarze Magie einlassen musste. Aber Faye hatte ja auch keine Ahnung, dass Cassies Seele immer dunkler wurde, je mehr sie sich der dunklen Magie hingab. Oder vielleicht hatte Faye durchaus eine Ahnung und war trotzdem bereit, Cassie zum Wohl des Zirkels der dunklen Seite zu opfern.
»Cassie wird keine schwarze Magie anwenden, wenn wir gegen Scarlett kämpfen«, stellte Adam klar. »Unter gar keinen Umständen. Aber davon abgesehen stimme ich Faye zu. Wir müssen schnell handeln, auch wenn das auf Kosten unserer Vorbereitung geht.«
Diana sah Adam skeptisch an. »In so eine Sache sollten wir uns nicht blindlings hineinstürzen«, sagte sie. »Denk daran, wie Scarlett dich bei unserem letzten Kampf im Handumdrehen blind gemacht hat.«
Suzan und Deborah kicherten gehässig.
»Ich weiß«, bestätigte Adam. »Aber das betraf nicht nur mich, sondern uns alle. Trotzdem, danke, dass du es zur Sprache bringst.«
Auf der Suche nach Unterstützung wandte Adam sich an Nick. Er hoffte, dass sie beide ausnahmsweise einmal der gleichen Meinung waren. »Findest du nicht auch, dass wir jetzt schnellstens handeln müssen?«, fragte er ihn. »Die Zeit ist reif!«
Cassie schäumte innerlich. Mehr als alle anderen wollte sie Scarlett finden und die Meisterwerkzeuge zurückholen. Und besser als alle anderen wusste sie, womit sie es zu tun hatten– sie war die Einzige, die
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