Die Hexenjagd
beiseite und verschränkte seine muskulösen Arme vor der Brust.
»Was denkst du, hat das zu bedeuten?«, fragte Cassie.
»Viel wichtiger ist doch, was du denkst, das es bedeutet?« Nicks Stimme war voller Wärme und Anteilnahme.
Cassie schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Ich persönlich denke«, begann Nick und sah Cassie vielsagend an, »dass die Menschen sich aussuchen, wen sie lieben.«
Der darauffolgende Moment des Schweigens war so aufgeladen, dass Cassie innerlich erzitterte. Sie spürte etwas in sich aufsteigen, etwas Unkontrollierbares. Ein Gefühl der Hitze.
Ohne nachzudenken, umfasste sie Nicks Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn. Leidenschaftlich, drängend. Sie spürte einen Hunger, von dem sie nicht einmal geahnt hatte, dass er in ihr schlummerte. Gleichzeitig fühlte sie sich seltsam entrückt, wie an jenem Tag, als sie zusammen mit Adam das Buch geöffnet hatte. Als wären ihr Geist und ihr Körper nicht länger eins. Sie wollte aufhören, konnte es aber nicht. Sie küsste Nick so lange, bis er sich zurückzog.
Er hob verblüfft die Finger an seine Lippen. »Was zur Hölle war das?«
Cassie war genauso überrascht wie er. »Keine Ahnung«, stammelte sie. »Es tut mir leid.«
»Lass das bitte, es sei denn, du meinst es ernst.« Nicks Augen funkelten und die Luft zwischen ihnen prickelte immer noch wie unter Strom. Cassie wusste, wenn sie nicht auf der Stelle den Raum verließ, würde sie etwas tun, das sie wahrscheinlich ernsthaft bereute. Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf, warf die Tür hinter sich zu und schloss ab.
Verwirrt versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. Cassie hatte keine Ahnung, was über sie gekommen war und was sie davon halten sollte. Es war einfach so passiert, ohne dass sie es geplant oder darüber nachgedacht hätte. Sie hatte Nick einfach geküsst, ganz und gar erfüllt von ihrer Leidenschaft. Sie hatte den geheimnisvollen Hunger in ihrem Innern gestillt. Ein schreiender schwarzer Hunger, der bekommen hatte, was er wollte. Doch jetzt fühlte sie sich vollkommen leer.
Kapitel Fünfzehn
Am nächsten Morgen erwachte Cassie voller Gewissensbisse. Es war nur ein Kuss, versuchte sie sich zu beruhigen. Aber es hätte ihn nicht geben dürfen, schalt sie sich. Wie hatte sie das nur zulassen können? Noch bevor sie aus den Federn kroch, versuchte sie, Adam anzurufen. Sie hatte etwas wiedergutzumachen.
Er ging sofort ran, klang jedoch geistesabwesend. Oder war er verärgert?
»Störe ich?«, fragte Cassie.
»Nein, nein«, sagte Adam kurz angebunden. »Was gibt’s?«
»Ich muss mit dir reden«, antwortete Cassie. »Treffen wir uns auf der Klippe?«
»Ich kann nicht.«
»Es ist aber ziemlich wichtig.«
Adam räusperte sich nervös. »Ich wünschte, ich könnte, aber ich muss für einen Geschichtstest lernen.«
Er log so offensichtlich, dass es beinahe einer Beleidigung gleichkam. »Seit wann machst du denn so viel Wind um einen Test?«, fragte Cassie.
»Was redest du denn da? Schon immer.«
Cassie wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Adam klang aufgeregt, seine Stimme höher als gewöhnlich. Er verheimlichte ihr etwas.
»Können wir dann vielleicht jetzt reden, nur für ein paar Minuten?«, fragte Cassie. »Es gibt da etwas, das ich dir gern sagen möchte, und ich will das nicht lange aufschieben.«
»Es passt mir jetzt wirklich nicht. Ich bin gerade beschäftigt.«
Cassie traute ihren Ohren kaum. Adam musste sauer auf sie sein, sonst würde er sich niemals so benehmen. Aber andererseits sagte er ihr doch täglich, dass er sie liebe.
»Ich möchte ja wirklich mit dir reden«, fuhr Adam fort. »Aber nicht jetzt. Tut mir leid, Cassie, aber ich muss Schluss machen. Ich rufe dich später an.«
Nachdem Adam aufgelegt hatte, lauschte Cassie für einige Sekunden dem Schweigen in der Leitung. Offenbar war ihre Beziehung zerrütteter, als sie gedacht hatte. Und dabei wusste Adam noch nicht einmal das Schlimmste. Wenn er ihr schon jetzt böse war, wie würde er erst reagieren, wenn er erfuhr, dass sie Nick geküsst hatte?
Stunden später dachte Cassie immer noch an das Telefonat mit Adam. Nicht nur die Tatsache, dass er gelogen hatte, beunruhigte sie. Sondern dass sie es verdient hatte. Es war sein gutes Recht, ihre jämmerliche Entschuldigung nicht anhören zu wollen. An seiner Stelle hätte sie das auch nicht gewollt.
Aber es gab noch jemand, bei dem Cassie sich entschuldigen musste, und sie
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