Die Hexenjagd
wahrscheinlich zu reden«, sagte er in entschuldigendem Ton. »Ich geh dann mal lieber.«
»Du brauchst nicht zu gehen«, sagte Diana leise zu ihm. »Gib uns nur eine Minute Zeit.«
Cassie trat beiseite, als Max zur Tür ging. Er wich ihrem Blick aus. »Ich warte dann unten.« Er schloss die Tür hinter sich und Cassie drehte sich zu Diana um.
»Bitte, lass es mich erklären«, sagte Diana, um Cassie zuvorzukommen.
Cassie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie musste Diana dringend davon erzählen, dass Adam ins Missionshaus unterwegs war– es ging um Leben und Tod. Aber bevor sie auch nur ein einziges Wort herausbekam, brach Diana in Tränen aus.
»Diese Geheimniskrämerei hat mich fast umgebracht«, schluchzte sie. »Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe. Ich hab nur… ich wusste, es würde euch allen schwerfallen, es zu verstehen.«
Cassie setzte sich neben Diana aufs Bett und ließ sie reden. Offensichtlich hatte sie diese Sache schon lange mit sich herumgetragen und musste nun endlich ihr Herz erleichtern.
»Nachdem ich ein wenig Zeit mit Max verbracht hatte«, begann Diana, »habe ich bald festgestellt, dass ich ihn wirklich mag. Auch wenn er sich in der Schule meist anders benimmt, ist er unglaublich charmant und süß. Und es kümmert ihn nicht, was irgendjemand über ihn denkt.«
»Das bezweifle ich auch gar nicht.« Cassie versuchte, objektiv und unvoreingenommen zu klingen. »Aber Max ist unser Feind. Er hat Faye markiert und seine Leute haben Constance und Portia getötet. Er wird wissen, dass du ebenfalls eine Hexe bist.«
Diana nickte und begann erneut zu schluchzen. »Das ist mir klar. Ich habe all das, was er uns angetan hat, nicht vergessen. Aber das Band, die Verbindung, wie du sie zwischen Adam und dir spürst… Nun, dieses Band habe ich auch zwischen mir und Max gesehen.«
Bei der Erwähnung des silbernen Bandes musste Cassie einen Kloß in ihrer Kehle hinunterschlucken. Das Band schien sie in letzter Zeit zu verfolgen. »Bist du dir sicher?«, fragte sie ungläubig.
Da weinte Diana so heftig, dass Cassie jeden Irrtum ausschließen konnte.
»Gerade du musst das doch verstehen!«, flehte Diana. »Man kann sich nicht immer aussuchen, in wen man sich verliebt.«
Cassie spürte, dass Diana tatsächlich gar keine andere Wahl gehabt hatte. In gewisser Weise tat sie ihr leid. Es war bestimmt nicht leicht, sich in seinen Erzfeind zu verlieben.
Cassie streichelte Diana sanft über den Rücken. »Ich mache dir keinen Vorwurf, dass du dich in ihn verliebt hast. Er ist wirklich anziehend, und er war ebenso von dir angezogen, seit er dich das erste Mal gesehen hat. Aber ich fürchte, ich verstehe trotzdem nicht ganz, wie genau es so weit gekommen ist.«
Diana griff nach einem Papiertaschentuch, um ihre Tränen zu trocknen. »Als ich versucht habe, ihn auszuspionieren, habe ich mitbekommen, was es heißt, tatsächlich er zu sein. Er musste sein Leben lang von Ort zu Ort ziehen, um mit seinem grässlichen Vater Hexen zu jagen. Er hat keine Mutter mehr, keine Geschwister. Genau wie so viele von uns, Cassie.«
Diana zog ein frisches Taschentuch aus der Packung und tupfte sich erneut die Augen ab. »Es fällt ihm unglaublich schwer, anderen zu vertrauen. Er hat Angst. Und er ist immer allein. Weißt du, wie sich das angefühlt hat? Diesem wirklich guten Kerl etwas vorzumachen?«
Diana wartete Cassies Antwort nicht ab. »Und dann, als wir eines Tages in seinem Zimmer rumhingen, kam sein Vater früher als gedacht nach Hause. Sobald die Haustür ins Schloss fiel, drehte Max sich voller Angst zu mir um. Er nahm meine Hand und führte mich zum Fenster, und ich begriff, dass er sich um mich Sorgen machte, nicht um sich selbst. Wir kletterten hinaus und liefen in das Wäldchen hinter seinem Haus. Barfuß, mit den Schuhen in unseren Händen, und die Zweige und Steine schnitten uns in die Fußsohlen, aber wir blieben nicht stehen. Selbst als wir schon längst in Sicherheit waren, umklammerte Max immer noch meine Hand und zog mich weiter, bis ich schließlich nicht mehr konnte. Atemlos blieb ich stehen und fragte ihn, warum wir immer noch rennen würden. Und das war der Moment, als er mich zum ersten Mal küsste. Und als seine Lippen meine berührten, durchfuhr mich eine Welle der Energie, die anders war als alles, was ich je zuvor gespürt hatte. ›Ich würde am liebsten weiterrennen, bis wir frei sind‹, sagte er. Und es war, als schwebte ich plötzlich außerhalb meines Körpers.
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