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Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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die Stube trat. Rasch übergab ich ihr die dicke Lehrschrift: „Hier, da hast du ordentlich was zum Lernen. Elgrin, ich werde mich um deine weitere Ausbildung kümmern und sie auch finanzieren.“
„Danke, Tora! Wirst du mir bald schreiben? Thekla hat mir eben angeboten, du könntest die Briefe an ihre Adresse richten.“
„Werde ich. Aber jetzt trage flugs diese Kleidungsstücke zu Herrn Hansen.“

    K urz darauf saß ich abfahrbereit in der noch offenstehenden Kutsche. Das Küchenpersonal, Gundula und die beiden Knechte hatten sich zum Abschied vor mir versammelt. Jörg kletterte gerade auf den Kutschbock, als ich zornrot die Wirtin in unsere Richtung hetzen sah. „Abfahrt!“, rief ich Jörg deshalb zu und schloss die Kutschentür.
Er gab den Rössern die Peitsche, ich winkte allen zum Abschied, und als wir an der Wirtin vorbeirollten, winkte ich auch ihr freundlich zu. Das mochte sie als Spott auffassen, doch es war versöhnlich gemeint.

F ÜNFTER T EIL

Kapitel 12
Ab Frühjahr 1559 - Gut Erlenrode

     
    Ryff, W. (Apollinaris)
Das ander Buch Alberti Magni, 1551
    B is zu meinem Dienstantritt im Gut Erlenrode hielt ich mich bei Marlis und Jörg in Blankenburg auf, wo jeder Tag für mich ein Erlebnis wurde.
Wenngleich sich Blankenburg in seinem Ausmaß nicht mit der Residenzstadt Hechingen messen konnte, war es durch seinen regen Handel, der hier betrieben wurde, weltoffener und offenkundig wohlhabender. Erst hier lernte ich wahres Stadtleben kennen. Nur selten stieß ich in den überwiegend gepflasterten und erstaunlich sauber gehaltenen Gassen auf Hausvieh, so gut wie alle Fenster der oft reich beschnitzten Holz- und Fachwerkhäuser waren mit Butzenscheiben ausstaffiert, und die Warenangebote waren unüberschaubar. Das nutzten unzählige Auswärtige, weshalb auf der Hauptgeschäftsstraße und den verschiedenen Märkten ein buntes Treiben herrschte. Was andererseits auch Beutelschneider sowie spitzbübische Händler und Marktverkäufer anlockte, vor denen man nicht genug auf der Hut sein konnte.
Doch ich will nicht ungerecht sein, gestohlen und betrogen wurde schließlich allerorts. Ließ sich jedoch jemand dabei ertappen, dann kam er selten glimpflich davon. Auch Hermann, der Küchenmeister des Erlenroder Gutes, hatte das Messer eines Vollstreckers zu spüren bekommen. Als ich Frau von Erlenrode mein Zeugnis gebracht und bei dieser Gelegenheit zwei Köche ausgewählt hatte, denen nicht gekündigt werden sollte, hatte ich entdeckt, weshalb Hermann, statt mit einer Küchenhaube das Haar zu bedecken, seine dunkle, zottelige Mähne offen trug, er bemühte sich, darunter seine aufgeschlitzten Ohrmuscheln zu verbergen. Demnach hatte auch er eine Spitzbüberei begangen, womöglich seinerzeit hier in Blankenburg als Tavernenwirt, wegen der er von einem Scharfrichter auf diese Weise gekennzeichnet worden war. Nur einen kleineren Betrug, denn hätte es sich um einen großen gehandelt, dann fehlte ihm heute eine Hand oder die Zunge oder gar beides. Noch bevor aber solch ein Urteil vollstreckt wurde, musste der Betreffende im Schinderwagen eine Schmähfahrt durch die Stadt hinter sich bringen und sich anschließend mit Kopf und Armen in den Pranger zwängen lassen, wo er dann stunden- oder auch tagelang von den Bürgern beschimpft, bespuckt und mit faulem Obst und Gemüse beschmissen wurde. Solche Szenen zählten zu meinen unschönen Erlebnissen in Blankenburg.

    H eute wurde im Verwaltungskontor des Erlenroder Gutes mein Anstellungsvertrag verfertigt. Zu meinem Bedauern in Abwesenheit des Feudalherrn, der zwar, wie mir seine Schwiegertochter unter Seufzen berichtete, für kurze Momente sein Bett verlassen, doch dann, rechts und links von Lakaien gestützt, nur wenige Schritte zustande bringen könne. An Treppensteigen sei also nicht zu denken, ich wisse ja, dass sein Gemach im ersten Stockwerk liege.
Sie seufzte abermals, diesmal sehr tief, ehe sie mir mitteilte, es habe sich ein Problem ergeben. So sehr sie sich auch um einen neuen Küchenmeister bemüht hätten, es sei erfolglos gewesen. „Zwei Küchenmeister mit guten Referenzen hatten wir endlich in Aussicht, doch keiner war bereit, in unserer Baronie eine Stellung anzutreten“, klagte sie, was Herr von Kahl abzuschwächen versuchte:
„Nicht wegen unserer Baronie als solche, Frau von Tornle, Erlenrode ist ihnen zu abgelegen.“
Das war geschwindelt, sah ich ihm an, sicher sollte ich den wahren Grund dieser Absagen nicht erfahren. Er interessierte mich momentan

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