Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
gewundert, sie kann das nachvollziehen.“
Bertrada und Dietrich konnten es nicht, sie sahen mich an, als sei ich ein Fabelwesen. Ich lachte über ihre Gesichter und kam dann auf unsere Kindheit zu sprechen, worauf Dietrich unverzüglich einging. Als ich aber wissen wollte, welche Art Unfall Johannes erlitten hatte, wurde er still, brachte nicht ein Wort mehr hervor. Ich war verwirrt, wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Doch Bertrada rettete die peinliche Situation. Sie schützte Müdigkeit vor und bat Dietrich, sie zu ihrem Gemach zu begleiten, dem er sogleich nachkam.
Was hatte ich mit dieser Frage angerichtet?
Ich musste mich noch reichlich gedulden, ehe Dietrich zurückkehrte und mir beim Platznehmen entschuldigend erklärte: „Verstehe mich, deine Frage nach Johannes’ Unfall war so unerwartet. Außerdem weiß ich nicht, ob du es verkraftest, wenn ich dir die näheren Umstände seines Ablebens darlege.“
„Du kannst beruhigt sein, meine Nerven sind mittlerweile so stabil wie die jedes anderen.“
Als wolle er diese Behauptung prüfen, blickte er mich tief an, nickte schließlich und begann:
„Johannes hat keinen Unfall erlitten, Dorith, er ist getötet worden.“ Für einen kurzen Moment geriet mein Verstand nun doch ins Wanken, aber ich ließ mir nichts anmerken, weshalb Dietrich fortfuhr: „Als man ihn gefunden hatte wollten Mutter und Vater verhindern, dass ich zu den Menschen stieß, die um seinen Leichnam geschart waren, aber ich hatte mich nicht zurückhalten lassen.“ Seine Stimme wurde heiser. „Dann sah ich ihn daliegen mit seinem feuerroten Haar und dem bleichen Gesicht. Seine Augen waren geschlossen und die Hände wie im Gebet gefaltet. Er lag auf seinem ausgebreiteten schwarzen Umhang wie ein aufgebahrter Ritter. - Nur der Dolch steckte noch in seiner Brust.“
Ich atmete tief durch, bevor ich fragen konnte, ob man seinen Mörder gefunden und verurteilt habe.
„Nein“, klärte mich Dietrich auf, „es ist auch nicht nach ihm gefahndet worden, da es sich um keinen gewöhnlichen Mord, sondern um eine ritterliche Hinrichtung gehandelt hat.“
Als ob Johannes dadurch weniger tot sei, empörte ich mich innerlich. Andererseits bedachte ich, dass Johannes stets Umgang mit Knappen und jungen Rittern gepflegt und bei Turnieren zu den rauesten Kämpfern gezählt hatte. Wer weiß also, für welches ritterliche Vergehen er in den Augen seiner Kameraden den Tod verdient hatte. Das war seine Welt gewesen, nicht meine, weshalb ich nicht weiter darüber nachdenken wollte. Stattdessen fragte ich Dietrich nun frei heraus, ob er ebenso wie ich glaube, Mutter habe mich all die Jahre vor meinem eigenen Vater verbergen müssen. Über diese Frage erschrak er noch mehr als vorhin über die nach Johannes’ Ableben, er war außerstande, auch nur die Lippen zu bewegen.
„Dietrich“, versuchte ich, ihn aus seiner Erstarrung zu locken, „versetze dich in meine Lage. Ich zerbreche mir den Kopf, ob mich Vater tatsächlich einer Teufelsaustreibung hätte unterziehen lassen, wenn er mich gefunden hätte.“
Darauf reagierte er: „Wenn du das ergründen wolltest, Dorith, müsste ich dir Geschehnisse offenbaren, die selbst Mutter kaum hatte verkraften können.“
„Trotzdem, ich muss alles erfahren. Seit Jahren erdrücken mich dunkle Ahnungen, und die sind schwerer zu ertragen als jede noch so harte Wahrheit. Jetzt will ich davon befreit werden.“
Darauf lehnte er sich in seinem Sessel leicht nach hinten, und als er dann stockend zu berichten begann, konnte er mich nicht anschauen. Er sprach von dem Tauffest auf Gut Albenau und dem abschließenden Ponyreiten für die Mädel und den Turnierspielen für die Jungen. „Warum nur war ich damals so unaufmerksam“, warf er sich vor. „Ich habe dich doch in der Dämmerung auf deinem großen Pony an unserem Zaun gesehen. Unvermittelt musst du dann fort geritten sein, bis in den Wald, und mir war das völlig entgangen.“
Er nahm einen Schluck Wein, worauf seine Schilderung flüssiger wurde: „Erst als wir Kinder wieder im Haus und dann auch gewaschen und umgezogen waren, fiel den Gouvernanten auf, dass du fehltest. Man hat dich nirgends im Haus gefunden. Darauf wurde mit Fackeln das gesamte Gutsgelände nach dir abgesucht, aber du warst spurlos verschwunden. Ich bin hundert Tode um dich gestorben, du weißt vielleicht noch, oder wieder, welche Angst uns vor dem dortigen Gesindel eingejagt worden war. Am nächsten Morgen wurde die Suchaktion dann fortgesetzt. Ich
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