Die Himmelsbraut
vor ihnen. Phillip sog den verführerischen Duft ein und stellte fest, was für einen Mordshunger er hatte.
«Bin jetzt fertig mit der Arbeit», flüsterte ihm Marie ins Ohr. «Wenn du gegessen hast, komm raus. Ich wart auf dich im Hof.»
Nachdem Egbert sich eine halbe Bratwurst auf einmal in den Mund gestopft hatte, fragte er schalkhaft: «Was macht Euch so sicher, Herr Hauptmann, dass ich Eure Sache für gut und richtig halte?»
«Ganz einfach: Ich hab das Gespräch mit dir vor drei Tagen noch genau im Ohr. Was ist eigentlich mit dir, Holdersteiner?»
Phillip schluckte seinen Bissen herunter. «Die Sache halte ich für richtig, solange sie mit Verhandlungen und Verträgen vorankommt. Von Zerstörung und Gewalt halte ich nichts.»
«Du wirst lachen – ich auch nicht. Und dennoch führt mitunter kein Weg dran vorbei. Hat nicht auch Jesus Christus gesagt:
Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert
?»
«Da könnt ich Euch gradwegs mit dem gegenteiligen Argument antworten. Mir scheint, hier findet jeder sein passendes Krümchen in der Heiligen Schrift.»
Da lachte der Hauptmann lauthals heraus und schlug ihm auf die Schulter.
«Einen wie dich könnt ich noch brauchen an meiner Seite.»
Phillip schwieg. Er überlegte, wie er sich nach dem Essen an besten davonmachen könnte, ohne unhöflich zu werden. In diesem Augenblick wandte sich Egbert an den Hauptmann:
«Ich hätte gute Lust, mit Euch zu ziehen, Müller von Bulgenbach.»
«Du?» Phillip fiel das Messer aus der Hand. «Seit wann hast du dich je um göttliche Gerechtigkeit geschert? Dir geht’s doch nur ums Abenteuer.»
«Na und?» Egbert grinste breit. «Ist mir lieber, als in der Studierstube zu versauern. Und wenn’s dann noch der Gerechtigkeit dient – umso besser. Also, was haltet Ihr davon, Hauptmann?»
Hans Müller musterte Egbert mit nachdenklichem Blick, derweil alle am Tisch den Atem anhielten. Nach einer guten Weile streckte der Mann seine kräftige Hand aus.
«Dein Wort drauf?»
Egbert schlug ein.
«Gut. Übermorgen bei Sonnenaufgang geht’s los, hinauf auf die Baar. Wir sammeln uns draußen vor dem Waldtor.»
«Das war’s dann wohl mit deinem Studium und uns beiden hier», murmelte Phillip, stand auf und schob sich durch das Gedränge in Richtung Hintertür. Er hörte, wie Egbert ihm irgendwas nachrief, und stieß, ohne sich darum zu kümmern, wütend die Tür zum Hof auf. Er holte tief Luft. Die kalte Nachtluft schmerzte fast in den Lungen.
«Geht’s dir nicht gut?»
Eine schmale Hand legte sich ihm von hinten auf die Stirn.
Er fuhr herum. «Marie!»
Sie hatte ihre Haube abgenommen, das lange dunkle Haar fiel ihr in Wellen über die Schultern. Sie war wirklich schön.
Bevor er noch ein Wort sagen konnte, hatte sie ihm schon einen Kuss auf den Mund gedrückt und dann bei der Hand genommen.
«Komm. Drüben im Pferdestall gibt’s eine gemütliche Ecke im Stroh. Da sind wir ungestört.»
Sie zog ihn quer über den dunklen Hof hinter sich her. Von der Wirtsstube her hörte man Gelächter, jemand begann lauthals zu singen, andere fielen mit ein.
Im Stall konnte man nicht mehr die eigene Hand vor Augen erkennen, so duster war es, und so verließ Phillip sich ganz auf Marie, die ihm zuraunte, wann er die Füße zu heben, wann den Kopf einzuziehen hatte. Dann spürte er die Stoppelhalme eines Strohhaufens an seinen Beinkleidern.
«Warte, hier ist noch irgendwo eine Decke.»
Als er sich neben Marie auf dem Lager niederließ, hatte er sich ein Stück weit an die Dunkelheit gewöhnt. Schemenhaft erkannte er die Umrisse zweier Pferde, die an der Wand gegenüber angebunden waren und zufrieden vor sich hin kauten, daneben war ein kleines Fuhrwerk abgestellt, durch einen Spalt in der Bretterwand drang ein schwacher Lichtschein herein. Und Marie – Marie hatte sich mittlerweile Schurz und Kleid abgestreift und trug nur noch ein leichtes Unterkleid, das Schultern und Hals bis zum Ansatz ihrer festen, runden Brüste freigab.
Sein Herz machte einen Sprung.
«Magst du mich denn ein wenig?», flüsterte sie zwischen ihren kurzen, zärtlichen Küssen.
«Ja», presste er hervor, während sie sich eng aneinanderschmiegten. Phillip atmete den Duft ihrer Haut ein, sie roch nach Gewürzen, Holzkohlenfeuer und Rotwein. Dazwischen war noch etwas Süßliches, Frühlingsblumenhaftes, das Marie gewiss kurz zuvor aufgetragen hatte. Ja, der Geruch erinnerte ihn an eine sonnenbeschienene Blumenwiese an den ersten warmen Tagen
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