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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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der österreichischen Obrigkeit einst geflüchtet war. Schon sprach man von dem großen «Bildersturm» anlässlich seiner baldigen Rückkehr, die einen mit Entsetzen, die andern, die Bauern voran, in erregtem Eifer. Alles überflüssige Zeugs wolle man aus den Kirchen der Stadt herausschaffen, die Altarbilder und Heiligenfiguren, die goldenen Kelche und Monstranzen, die kostbaren Gewänder und Behänge – all das sollte im Rhein versenkt werden.
    Recht schnell hatte Phillip bei seinen Wirtshausgesprächen den Eindruck gewonnen, dass nicht jeder der Waldshuter Bürger glücklich war über dieses Bündnis mit dem Landvolk. Mehr als einmal hatte Phillip aufgeschnappt, wie man über die Bauern herzog, sie sollten lieber ihr Land bestellen als weiterhin den Aufruhr üben. Und was sie hier in der Stadt überhaupt noch zu suchen hätten! Vor zwei Tagen war es sogar zu einer ausgewachsenen Raufhändelei gekommen zwischen ein paar Handwerksmeistern und Bauernburschen, die Landsknechtslieder grölend in die Gaststube marschiert waren.
    Statt Balthasar Hubmaier hatten Phillip und Egbert dafür vor drei Tagen Hans Müller von Bulgenbach kennengelernt. Ihn hatten die aufständischen Stühlinger Bauern im Sommer zu ihrem Hauptmann erwählt, und Phillip verstand auf Anhieb, warum. Hans Müller, der gut zehn Jahre älter war als er, zog sofort alle Blicke auf sich, wo immer er erschien. Der große, aufrechte Mann mit dem gepflegten Vollbart und halblangem blondem Haar wirkte zunächst sehr zurückhaltend, doch wenn er den Mund auftat, hatte jedes seiner Worte Gewicht. Phillip mochte kaum glauben, dass Müller einst leibeigener Bauer von Sankt Blasien gewesen war. In anderem Gewand hätte er in Freiburg durchaus als Magister oder Doctor durchgehen können. Hier indessen war er in der bunten, geschlitzten Tracht eines Landsknechts gekleidet, der er tatsächlich auch gewesen war: In kaiserlichen Diensten nämlich hatte er einst in Frankreich gekämpft. Als er nun vor drei Tagen in ihrer Schenke aufgetaucht war und sich noch dazu an ihren Tisch gesetzt hatte, hatte Egbert sein Glück kaum fassen können. Den ganzen Abend war er ihm an den Lippen gehangen.
    Auch heute Abend wollte Hans Müller hier einkehren, und Phillip stellte belustigt fest, dass Egbert unentwegt nach ihm Ausschau hielt wie nach einem hübschen Mädchen und dabei sogar das Biertrinken vergaß. Auch er selbst würde diesen einnehmenden Menschen gern noch einmal wiedersehen, doch viel mehr noch beschäftigte ihn Marie. Marie, die ihn die letzten Abende so strahlend angelächelt und die er gestern nach Schankschluss wahrhaftig geküsst hatte. Draußen im Hof, zwischen leeren Fässern und Kisten, unter einem sternenklaren Himmelszelt. Sie hatten sich erst voneinander gelöst, als zwei Burschen zum Wasserlassen in den Hof geschwankt kamen. «Morgen darf ich früher freimachen», hatte sie ihm noch zugeflüstert, um dann eilig wieder im Haus zu verschwinden.
    «Was hältst du also von den Forderungen der Bauern?», brüllte Egbert ihm jetzt ins Ohr.
    «Sie klingen mir wider Erwarten sehr gemäßigt», gab er zurück. «Die Wahl evangelischer Pfarrer, die Einschränkung des Zehnten und der Frondienste, die Freigabe von Wald, Jagd und Fischfang, das Aufheben der Leibeigenschaft – allesamt Rechte, die sich aus der Bibel begründen.»
    «Und damit göttliches Recht bedeuten.»
    «Solange die Bauern friedlich vorgehen, bin ich auf ihrer Seite», sagte Phillip. «Zumindest scheint mir ihr Hauptmann besonnen genug, kein Gemetzel zu provozieren. Ich versteh nur nicht, warum dieser Mann hier in Waldshut weiterhin Leute sammelt. Ist der Landgraf ihnen nicht entgegengekommen und die Gegend längst befriedet?»
    «Das schon. Aber wenn die Gerechtigkeit, wie sie in der Heiligen Schrift steht, göttlich ist, muss sie überall gelten. Verstehst du nicht? Hans Müller hat eine Vision.» Egbert trank seinen Krug aus und winkte Marie heran. «Überall in der Region sollen die Bauern in seinen Bund gebracht werden. Die Haufen vom Schwarzwald, von Oberschwaben, vom Oberrhein, vom Elsass – sie alle werden verschmelzen zu einer einzigen christlichen Vereinigung der Bauernschaft. Ein freies Volk auf freiem Grund, ganz nach dem Vorbild der Eidgenossenschaft, die die Bauern und Hirten in der Schweiz zustande gebracht haben.»
    «Der Zweck eines solchen Bündnisses», mischte sich Egberts Gegenüber, ein vierschrötiger Kerl mit riesigen Pranken, ein, «kann einzig und allein sein, alle Herren

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