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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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noch mehr von uns abhauen.» Und fast trotzig fügte er hinzu: «Die wird sich wundern. Wir wollen nämlich auch unsere Forderungen stellen. Nach besserer Verköstigung und einem gerechten Wochenlohn.»
    «Da tut ihr gut dran, Franz. Ich wünsch euch von Herzen gutes Gelingen. Jetzt muss ich zurück, die Prim hat sicher schon begonnen.»
    «Wartet – das hier soll ich Euch von Peter geben.» Er zog ein zusammengefaltetes, fleckiges Papier aus seinem Gürtel. «Und ich soll Euch sagen, dass Ihr nicht schlecht von ihm denken mögt.»
    Es war eine gedruckte Flugschrift mit der Überschrift
Artikelbrief der christlichen Bruderschaft des schwarzwälderischen und hegauischen Haufens
. Hastig überflog Antonia die einleitenden Worte.
    Ehrsame, weise, gewogene Herren, Freunde und liebe Nachbarn!
    Dem armen gemeinen Mann in Städten und Dörfern sind bisher von geistlichen und weltlichen Herren und Obrigkeiten große Belastungen wider alle Gerechtigkeit auferlegt worden. Solche Bürden und Beschwerungen will man nicht länger ertragen und erdulden; denn der gemeine Mann würde sich und seine Kindeskinder sonst an den Bettelstab bringen. Deshalb ist es das Vorhaben dieser christlichen Vereinigung, mit Gottes Hilfe sich frei zu machen; dies soll so weit als möglich ohne Kampf und Blutvergießen geschehen. Dazu ist es erforderlich, sich in allen gebührenden Dingen, die den gemeinen christlichen Nutzen betreffen und die in den beiliegenden Artikeln verzeichnet sind, brüderlich zusammenzuschließen.
    Auf den oberen Rand des Blattes war von Hand ein Kruzifix gezeichnet, daneben stand in krakeligen, ungeübten Buchstaben: «Verzeiht mir bitte, liebe Schwester Antonia, aber ich muss diesen Weg gehen. Gott schütze Euch, ich werde Euch nie vergessen. Peter.»
    In einer Mischung aus Rührung und Enttäuschung ließ sie das Papier sinken und steckte es in ihre Rocktasche. Sie würde die Artikel ihren Gefährtinnen vorlesen, noch vor der Kapitelversammlung. Sie mussten wissen, wie die Dinge lagen und dass ein großer Umbruch bevorstand – ohne Kampf und Blutvergießen, so lautete indessen das Versprechen der Bauern, und darauf sollten sie bauen.
    Als sie ins Klausurgebäude zurückkehrte, war das Chorgebet schon zu Ende.
    «Wo warst du?», fragte Euphemia, die ihr im Treppenaufgang zur Empore begegnete.
    «Später.» Antonia drückte sich an die Wand, um Florentina, Xenia und Gerlinda vorbeizulassen, die die Stufen hinunterhetzten, als sei eine Feuersbrunst ausgebrochen. Ihnen folgten die übrigen Nonnen.
    «Sind die Priorin und die Subpriorin noch oben im Chor?», fragte Antonia.
    «Nein», entgegnete Mechthild. «Sie haben am Stundengebet nicht teilgenommen. Ich sag euch: Irgendwas liegt in der Luft.»
    Antonia nickte. «Kommt, gehen wir etwas essen. Dann erzähle ich euch, was ich letzte Nacht beobachtet habe.»
     
    Nachdem sie ihr Frühstück aus trocken Brot und Dünnbier eingenommen hatten, begaben sie sich gemeinsam in den Kapitelsaal. Noch immer stand draußen so dichter Nebel, dass der Brunnen im Innenhof des Kreuzgangs nicht einmal in Umrissen zu erkennen war.
    Es ist, als ob es nicht Tag werden will, dachte Antonia. Sie war gespannt, wie die Versammlung heute ausgehen würde, denn die fünf Frauen hatten beim Frühstück beschlossen, Mutter Camilla um Aufklärung sowohl der nächtlichen Unruhe als auch der Sache mit den aufständischen Bauern zu ersuchen.
    Normalerweise trafen die anderen Schwestern vor ihnen ein, doch heute war der Kapitelsaal wie ausgestorben. Nachdem sie am Weihwasserbecken die Finger für das Kreuzzeichen benetzt hatten, nahmen sie ihre Plätze ein und warteten.
    Nichts geschah. Der Saal lag in vollkommene Stille eingetaucht, selbst die Geräusche von draußen schienen vom Nebel verschluckt. Irgendwann hörte man ein Pferd wiehern.
    «Versteht ihr das?» Hilde sah unsicher in die Runde.
    Antonia fiel plötzlich ein, was Franz ihr gesagt hatte. Dass sich die Familiaren nach dem Frühstück im Gesindehaus einfinden sollten, zur selben Zeit also wie die Nonnen zur Konventsversammlung. Das allein hätte sie stutzig machen müssen, schließlich durfte die Gesindemeisterin im Kapitel nicht fehlen.
    In diesem Augenblick stürzte Ursel herein. Ohne sich darum zu kümmern, dass ihr als Laienschwester das Betreten des Kapitelsaals verwehrt war, platzte sie heraus: «Sie sind fort! Sie sind alle fort!»
    Antonia sprang von ihrer Bank auf. «Wer?»
    «Die Schwestern – die Mutter Oberin – alle, außer euch!»

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