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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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uns sein.»
    «Begleite mich zu Tisch, Antonia. Du siehst hungrig aus.»
    Er berührte sie sachte am Arm, um sie in die Schankstube zurückzuführen. Als sie zögerte, lächelte er ihr aufmunternd zu. «Ich weiß wohl, dass ihr Klosterfrauen jetzt in der Karwoche streng fastet. Zumindest einige von euch. Aber selbst wir lutheranischen Ketzer halten die Speiseregeln ein.»
    «Ich möchte nichts essen.»
    Vergebens kämpfte sie gegen die Tränen an, als sie an die schrecklichen Ereignisse des gestrigen Tages zurückdachte.
    «Nun komm schon.» Der Hauptmann strich ihr die Tränen aus dem Gesicht. «Du musst etwas zu dir nehmen. Wirst sehen, danach geht’s dir besser.»
    Ohne weiteren Widerstand ließ sie sich von ihm an den voll besetzten Tisch führen. So kam sie an diesem Tag zu einer unvermutet reichhaltigen Mahlzeit inmitten der Fastenzeit. Nachdem sie den ersten Bissen genommen hatte, spürte sie erst, wie ausgehungert sie war. Sie hätte erwartet, dass Hans Müller sie über Liebfrauenwalde aushorchen würde, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen fragte er sie nach ihrer Familie, nach ihren Gründen für den Klostereintritt, wofür sie den Tod ihrer Eltern vorgab, nach ihren Jugendjahren. Bereitwillig gab sie über alles Auskunft, verschwieg jedoch, wie ihr Vater ums Leben gekommen war, als auch den Tod ihrer Schwester.
    Anfangs hatte sie es kaum ertragen, inmitten dieser lärmenden, zechenden Mannsbilder zu sitzen. Ihre Tischnachbarn dagegen schien es keineswegs zu verwundern, dass der Hauptmann eine Frau hinzugeladen hatte, und da sie ganz offensichtlich großen Respekt vor ihm hatten, wagte auch niemand, sie mit anzüglichen Bemerkungen oder Schlimmerem herauszufordern. Fast wie eine Dame wurde sie behandelt. Man sorgte dafür, dass sie das knusprigste Stück Bratfisch, das zarteste Stück Biberschwanz, das süßeste Stücklein Kuchen bekam. Am Ende hatte sie so viel gegessen, dass ihr fast übel wurde, und die wenigen Schlucke Starkbier begannen ihr den Kopf zu vernebeln. Was hätte sie jetzt für das Bett in ihrer stillen Klosterkammer gegeben!
    Der Hauptmann schien ihr die Erschöpfung anzusehen.
    «Du bist müde. Ich hab eine Kammer hier im Gasthaus. Wenn du willst, kannst du dich dort ausruhen.»
    «Das ist nicht nötig.»
    «So, wie dir eben die Augen zugefallen sind, ist das sogar sehr nötig. Keine Sorge, du bist dort völlig unbehelligt. Ich werd meinen Knecht rufen, damit er dich in die Kammer bringt und auf dich achtgibt. Danach kannst du immer noch ins Lager zurück zu den anderen.»
    Sie stotterte ein leises «Danke!», während Hans Müller etwas in den hinteren Schankraum rief. Kurz darauf erschien niemand Geringeres als Peter, der Pferdeknecht aus Liebfrauenwalde.
    «Schwester Antonia!» Verblüfft starrte Peter sie an. «Ums Haar hätt ich Euch nicht erkannt, in diesem Gewand.»
    «Ihr beiden kennt euch?»
    «Aber ja!» Peter lachte fröhlich, und Antonia spürte zum ersten Mal in diesen Tagen einen Anflug von Freude. Sie hätte ihn gern umarmt, aber da das vor dem Hauptmann und all diesen Mannsbildern unschicklich gewesen wäre, nahm sie nur seine Hand und drückte sie fest. Dass er Liebfrauenwalde so sang- und klanglos verlassen hatte, hatte sie ihm verziehen.
    «Wie schön, dich wiederzusehen!»
    Hans Müller schüttelte belustigt den Kopf.
    «Auch gut», murmelte er und dann lauter: «Bring sie in meine Kammer und halte vor der Tür Wache.»
    «Dann bin ich jetzt also wirklich Eure Gefangene?», fragte Antonia.
    «Ich würde es anders nennen. Du stehst unter meinem Schutz. Vorerst jedenfalls.»
    Während Peter sie in eine der Schlafkammern im ersten Stock führte, musste sie ihm in Kurzform alles berichten, was seit seinem Weggang von Liebfrauenwalde geschehen war. Als sie auf ihre Flucht aus dem brennenden Kloster zu sprechen kam, stockte sie. Doch dann erzählte sie ihm auch vom Tod ihrer Schwester und spürte, wie gut ihr das tat.
    «Wie viel Schreckliches Ihr erlebt habt. Glaubt mir, ich hätte nie gedacht, dass es mit Liebfrauenwalde so schlimm enden würde», sagte Peter mitfühlend. Er zog eine Wolldecke aus einer Reisekiste und breitete sie über das Bett. «Aber wenigstens hat Eure Schwester ein christliches Begräbnis bekommen.»
    Antonia nickte erschöpft. «Das ist mein einziger Trost.»
    «So schlaft jetzt. Niemand wird Euch stören, solange ich vor der Tür stehe und Euch bewache.»
    Dabei deutete er auf das Schwert in seinem Gürtel.
    «Danke, Peter.»
    Mit dem Amen

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