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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Warum wirst du immer magerer? Die Fastenzeit ist doch schon lange vorüber. Alle andern haben heut wieder reingehauen, dass es eine Freude war. Nur du hast gegessen wie ein Spatz. Ich will nicht, dass du wieder krank wirst.»
    Antonia zog ihre Hand zurück. Zum einen war sie noch immer verärgert, zum anderen hatte sie diese Ungewissheit, dieses wochenlange Umherwandern kreuz und quer durch Schwarzwald, Hegau und Baar inzwischen so unendlich satt. Ihr schwirrte schon der Kopf von den Namen all dieser Orte, durch die sie gezogen waren: Pfohren, Neudingen, Bräunlingen, Hüfingen, Donaueschingen, Wartenberg, Blumberg, Deislingen, Schwenningen – lauter Dörfer und Städte, von denen sie nie zuvor gehört hatte und in denen Hans Müller triumphierend seine Urkunden mit einem dreifachen «Evangelium» unterzeichnet hatte.
    Hin und wieder hatte sie einen Blick auf die vergilbte Reisekarte werfen können, in die der Hauptmann mit schwungvollen Zügen seine Marschrouten einzutragen pflegte und jeden Ort, der ihrer christlichen Vereinigung beigetreten war, dick einkreiste. Nur noch wenig war nicht eingekreist, wie die bedeutenden Städte Villingen und Radolfzell. Und ganz am Rande der Karte Freiburg.
    Nachdem sie damals von Bonndorf aus ostwärts anstatt westwärts gezogen waren, bei Eisregen und stürmischen Winden, um dem oberschwäbischen Haufen gegen das Heer des Truchsess beizustehen, war Antonia krank geworden. Geschwächt durch die schrecklichen Ereignisse in Liebfrauenwalde, hatte ein schwerer Katarrh sie erwischt, mit Fieber und quälendem Husten. Da hatte Hans Müller sie erst recht in seine Obhut genommen. Sie musste, warm eingepackt, auf einem der wenigen Fuhrwerke reisen und übernachtete nicht im Feldlager, sondern bei ihm in Wirtshäusern oder in Häusern von Bundesgenossen. Als Krankenpfleger hatte der Hauptmann Peter abgestellt, der sich rührend um sie kümmerte. Er machte seine Sache so gut, dass sie nach wenigen Tagen, als sie zu Ostern den Hegau erreichten, schon wieder auf den Beinen war.
    An jenem Tag hatten sie unter freiem Himmel die Auferstehung Jesu Christi gefeiert, mit Aberhunderten, ja Tausenden von Bauern. Antonia war ein Schauer über den Rücken gelaufen angesichts der Massen und der tiefen Gläubigkeit dieser Menschen, angesichts ihrer Ergriffenheit während der Schriftlesung in deutscher Sprache und während des Abendmahls, das der junge Prädikant ganz nach Martin Luther in beiderlei Gestalt, in Brot und Wein, ausgeteilt hatte.
    Hernach waren sie auf die Städtchen Engen und Aach zumarschiert, die rasch eingenommen waren, und dann gegen das mächtige Heer des Schwäbischen Bundes. Zu jenem Zeitpunkt hatte Antonia zum ersten Mal um das Leben des Hauptmanns gebangt.
    Entsprechend groß war ihre Erleichterung, als der von allen gefürchtete Truchsess von Waldburg seine Mannen im letzten Moment abgezogen hatte und Hans Müller sein altes Vorhaben, Freiburg einzunehmen, wieder aufnehmen konnte. So waren sie hierher nach Vöhrenbach gekommen, nicht ohne hie und da Burgen zu erstürmen und weitere Orte in ihren Bund zu zwingen oder mit guten Gründen zu überreden.
    Sie hatte anfangs kaum glauben können, wie wenig kriegerisch dieser Bauernfeldzug zumeist verlief, von kleineren Scharmützeln mit Söldnertruppen oder Stadtwachen abgesehen. Dem Obersten Hauptmann ging es mitnichten um Brandschatzung und Zerstörung, sondern allein um die bruderschaftliche Bewegung, die gleich einem großen Netz das ganze Land umspannen sollte. Unterwegs, in jedem Weiler, auf jedem Gehöft, verlas man die Beschwerdeartikel in friedlichster Manier, begründete sie mit Gotteswort, Evangelium und göttlichem Recht. Und kehrte man zur Rast oder zur Nacht irgendwo ein, wurde alles, was gegessen und getrunken wurde, redlich bezahlt.
    Bis zum heutigen Tag jedenfalls war das so gewesen. Als sie auf dem Weg nach Vöhrenbach den Burgberg von Neufürstenberg erklommen hatten, waren die Männer plötzlich nicht mehr zu halten gewesen. In entfesselter Wut hatten sie den Fürstenbergischen Obervogt durch die Spieße gejagt, bis Blut geflossen war, um anschließend mit ihren erbeuteten Geschützen die Burg in Brand zu schießen. Hierüber war Antonia so entsetzt gewesen, dass sie einen heftigen Streit mit Hans Müller vom Zaun gebrochen hatte.
    «Bist du mir noch immer gram wegen heute Mittag?» Der Hauptmann brachte sie mit seiner Frage zurück in die Gegenwart. Fürsorglich zog er ihr die grobe Pferdedecke bis über die

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