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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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nach unten zu tragen. Niemals hätte sie in Hans Müllers Schuld stehen wollen, indem sie sich von ihm und seinen Leuten durchfüttern ließ.
    Unten in der Schankstube stand ein Krug warmer Milch für sie bereit. Der Wirt hinter der Theke begrüßte sie freundlich, und sie machte sich daran, auf einer langen Holzbank die Wäsche zu zwei Haufen zu sortieren: in einen, der gewaschen, und in einen, wo geflickt und gestopft werden musste.
    «Willst du deine Flickstunde nicht lieber draußen vor der Tür verrichten?», fragte der Schankwirt. «Da hast Sonne und bessres Licht. Heut ist nämlich ein herrlich warmer Tag. Komm, ich helf dir, die Bank rauszutragen.»
    Die kleine Handwerkerstadt Vöhrenbach lag inmitten von zumeist bewaldeten Bergen am Ufer eines Flüsschens. Der Gasthof selbst befand sich nicht weit unterhalb des Villinger Tors, durch das zu früher Stunde Egbert mit seinem Schreiben verschwunden war. Von dem sonnenbeschienenen Freisitz neben der Haustür, wohin der Wirt ihre Bank gestellt hatte, konnte Antonia durch die Häuserreihen hindurch auf den gegenüberliegenden Wiesenhang blicken, der jetzt noch im Schatten lag, während ihr die Maiensonne schon das Gesicht wärmte. Dort drüben, auf der anderen Flussseite zwischen zwei Gehöften, zog sich das riesige Feldlager der Bauern bis hinauf an den Waldrand.
    Antonia verwunderte es jeden Tag aufs Neue, dass in diesem scheinbar planlosen Gewimmel eine klare Ordnung verborgen war. Jetzt aus der Ferne glich das Ganze einem Ameisenhaufen. Doch wenn man genauer hinsah, konnte man einzelne Gruppierungen ausmachen, in deren Mitte die rot-weiß-schwarze Fahne aufgepflanzt war.
    Dafür, dass jeder Abmarsch in militärischer Zucht vonstatten ging und dass sich dieser schier unübersehbare Haufen jedes Mal neu zu Rotten und Fähnlein formierte, sorgten strenge Feldordnungen. Im Übrigen auch dafür, dass das Lagerleben in halbwegs geordneten Bahnen verlief. Antonia wusste mittlerweile, dass Hans Müller und seine Hauptleute dies niemals allein würden leisten können, und so gab es wie in einem Landsknechtsheer die Rottmeister, Feldwebel und Fähnriche, die Wachtmeister, Proviantmeister und Quartiermeister. Für das Einhalten der Lagerordnung in jedem Fähnlein sorgte nicht zuletzt der Profoss und setzte bei Verstößen strenge Strafen fest.
    Angesichts dieser schieren Masse war es nicht verwunderlich, dass die Ratsherren und Bürgermeister sich, ohne zu zögern, in die Bruderschaft der Bauern begaben. Jeder Vogt, jeder Magistrat im Lande wusste längst, dass die zu allem entschlossen Bauern nicht mehr mit Dreschflegeln und Knüppeln um sich schlugen, sondern gut bewaffnet waren. In ihren Feldschmieden schmiedeten sie Sensen und Pflugscharen zu Spießen und Schwertern, übten sich in ihrer freien Zeit an den erbeuteten Hand- und Hakenbüchsen. Dazu kamen die schweren Geschütze, aus Burgen weggeschafft oder von verbündeten Städten gestiftet. Das Einzige, was zu ihrem großen Nachteil fehlte, war eine bewaffnete Reiterei.
    Manchmal fragte sie sich allerdings, wie die Frauen und Kinder zu Hause die Felder bestellen sollten, wo ihre Männer monatelang fort und ihre Gerätschaften zu Waffen geworden waren. Wie sollte das Korn geschnitten, wovon das Brot gebacken werden?
    Mit einem unterdrückten Seufzer legte sie die geflickte Kleidung zusammen. Was waren das nur für Zeiten! Später, wenn die Sonne höher stand, würde sie hinunter an den Fluss gehen und Wäsche waschen, zusammen mit den anderen Frauen des Haufens. Manche von ihnen begegneten ihr mit ängstlicher Ehrfurcht, weil sie an der Seite des Obersten Hauptmanns lebte, andere mit Verachtung, aus ebendemselben Grund. Die meisten indessen sahen sie als eine der Ihren, schwatzten und lachten mit ihr. Selbst Bertha hatte ihre Boshaftigkeit gegenüber Antonia aufgegeben. Vor wenigen Tagen erst, als sie vom Hegau auf den Wald zurückkehrt waren, hatte sie ihr sogar gesagt: «Es tut mir leid um deine Schwester. Ich schließe sie jeden Abend in mein Gebet ein.»
    Das war nun zwar nicht der Anfang einer Freundschaft gewesen, aber doch immerhin des gegenseitigen Respekts.
    Vielleicht lag es daran, dass sich Antonia für keine Arbeit zu schade war und die Sprache der anderen Frauen sprach. Ihr war ihre oft grobe, dennoch gradlinige Art keineswegs fremd, erinnerte sie das doch an ihre Kindheit, wo sie mit den Dorfkindern durch die Gegend gestromert war. Hinzu kam, dass sie immer noch die Worte ihres Vaters im Ohr hatte, der

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