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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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kleinen Achatstein zu tun haben, den ihre neue Freundin Vrena ihr gegen böse Träume unters Kopfkissen gelegt hatte. Viel eher aber wohl mit dem festgefügten Tagesablauf, mit der körperlichen Arbeit, die sie von Grübeleien ablenkte und abends erschöpft einschliefen ließ.
    Da die Weißfrauen, wie die Cistercienserinnen ihrer Tracht wegen auch genannt wurden, ihre Bestimmung in Gebet, geistlichen Übungen und religiösen Studien sahen, wurden fast alle gröberen Tätigkeiten von den Laienschwestern verrichtet. Diese Frauen hatten sich zwar ebenfalls zu Armut, Keuschheit und Gehorsam verpflichtet, aber keine Weihen empfangen. So trugen sie zu ihrem braunen Gewand, das mit einem einfachen Strick umgürtet war, auch keinen Schleier, sondern eine Kapuze und lebten nicht in Klausur. Der harten Arbeit wegen hatten sie es im Fasten und bei den Gebetspflichten weniger streng. Außer zur Morgen- und Sonntagsmesse mussten sie nur zum Abendgebet in die Kirche, dort dann streng getrennt von den Chorfrauen und Novizinnen, die ihren festen Platz oben auf der Empore hatten. Ansonsten beteten sie während der Arbeit, und diejenigen, die einfacher Herkunft waren, durften dies sogar in deutscher Sprache tun.
    Hier in Marienau waren die Laienschwestern fast ebenso zahlreich wie die Nonnen. Sogar einige Brüder gab es zu Antonias Erstaunen, wie den Schmied, den Zimmermann oder die Stallknechte fürs Großvieh, die auch als Ministranten oder als Boten und Mittler für die Welt draußen dienten. Sie wohnten abgesondert im Wirtschaftshof und unterstanden ebenso wie die zahlreichen Lohnarbeiter dem Propst, während über den Lebenswandel der Laienschwestern und Kandidatinnen mit freundlicher Strenge die Laienmeisterin wachte. Sie war es, die den Neulingen wie Antonia und Vrena die wichtigsten klösterlichen Regeln und Satzungen beibrachte.
    Zwar galt auch für sie das Schweigegelübde, hingegen war dies im Alltag reichlich verwässert. Man durfte nur sprechen, sofern es die Arbeit erforderte, doch war man unter sich, hielt sich kaum jemand an das Schweigen. Nur mit Käthe, die ebenfalls in ihrer Kammer schlief, hatten Antonia und Vrena auch noch nach Wochen keine drei Sätze ausgetauscht. Nicht einmal die Laienmeisterin sah dies so eng – unnachgiebig war die gute Frau nur, wenn man zur Morgenmesse unentschuldigt zu spät kam oder beim Abendgebet nicht allerspätestens zum Singen des
Salve Regina
zugegen war. Solcherlei Verfehlungen wurden mit Weinentzug bestraft, man musste abseits der Schwestern seine Mahlzeit einnehmen, und beim wiederholten Male gab es gar nichts zu essen.
    Vrena war dies anfangs einige Male passiert, sie hatte es aber mit gleichmütiger Miene hingenommen. «Das Essen ist ohnehin ein ungenießbarer Fraß» waren ihre Worte gewesen. Tatsächlich schien der Festschmaus beim Klostereintritt der beiden jungen Frauen eine Ausnahme gewesen zu sein. Gewöhnlich bestand das Mittagessen im Laienrefektorium, zu dem sie sich nach dem Schulunterricht einfanden, aus gesottenem Gemüse, zumeist Bohnen, oder in Milch gekochtem Gerstenbrei mit einem Kanten Käse oder Obst. Dazu wurde billiger Tresterwein gereicht. Nur an den Sonn- und Feiertagen bekamen sie denselben Wein wie die Nonnen; dann wurden auch Fisch oder Geflügel und Eier aufgetragen.
    Während der Mahlzeit gab es eine Lesung aus der Vita des jeweiligen Heiligen, der an dem Tag sein Namensfest hatte – in deutscher Sprache, da nur wenige des Lateinischen mächtig waren. Hierzu wurde im Wochenwechsel eine der Frauen zur Vorleserin bestimmt und musste sich an die Stirnseite des Tisches setzen. Gleich in Antonias zweiter Woche in Marienau war die Reihe an ihr gewesen. Nach anfänglicher Scheu, vor einer solch großen Gruppe das Wort zu erheben, hatte sie bald eine unerwartete Freude daran gefunden, den anderen diese anrührenden, mitreißenden, oft auch grausamen Lebensgeschichten vorzutragen. Vor allem die des Franz von Assisi hatte es Antonia angetan, jenes Sohnes eines reichen Tuchhändlers, der allem Besitz und allem Weltlichen entsagt hatte. Mit lebhafter Stimme und Mimik, mit ausladenden Gesten, ja mit dem ganzen Körper hatte Antonia zum Ausdruck gebracht, was der heilige Franziskus durchlitten und durchlebt hatte. Die Schwestern waren von ihrem Vortrag so ergriffen gewesen, das sie zu essen vergaßen und manch eine sogar Tränen vergoss. Hernach allerdings hatte die Laienmeisterin sie zur Seite genommen und gerügt: «Wir sind hier nicht auf dem Jahrmarkt. Um ein

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