Die Himmelsbraut
mit Antonia von hier verschwinden würde und dass niemand das Recht hatte, sein Mädchen im Kloster festzuhalten. Dies hatte er sich geschworen, als er gestern, noch vor Sonnenaufgang, von Burg Holderstein weggeritten war. Wutentbrannt, denn sein Vater, als Antonias Muntherr, hatte sich hartnäckig geweigert, ihm ein Schreiben mitzugeben, in dem er sich mit dem Verlöbnis seines Sohnes mit Antonia von Oberthann einverstanden erklärte.
Dabei war alles zunächst so hoffnungsvoll verlaufen. Nachdem Phillip sich an jenem Spätsommertag fast trunken vor Glück auf den Heimweg nach Neu-Eberstein gemacht hatte, hatte er dort sogleich erneut sein Reisebündel packen müssen. Er sollte Ritter Wendel und den jungen Ebersteiner zum Grafen von Hanau-Lichtenberg begleiten, dem Vater von Wilhelms künftigem Eheweib. Auf dem Rückweg hatte er sich Graf Wilhelm und dem Ritter anvertraut, hatte ihnen von seiner Liebe zu Antonia erzählt. Sie waren übereingekommen, dass Phillip noch bis zum Frühjahr seinen Dienst als Knappe verrichten würde, um anschließend von den Ebersteinern als Edelknecht übernommen zu werden. Dann stünde einer Hochzeit mit Antonia nichts mehr im Wege. Für seine Reise nach Holderstein und hierher nach Marienau hatten die Ebersteiner ihm sogar einen bewaffneten Reitknecht mitgegeben, den er jetzt zusammen mit den Pferden im Breisacher Gasthaus Zum Löwen untergebracht hatte.
Phillips Gedanke war gewesen, Antonia bis zum Frühjahr als Haushälterin auf dem Gestüt unterzubringen. Sein Vater aber hatte sich allem versperrt, was Phillip ihm vorgetragen hatte. Nein, er sei nach wie vor gegen eine Verbindung mit Antonia, und wenn Phillip sie zur Frau wolle, dann ohne seinen Segen. Am Ende waren sie im Streit auseinandergegangen, sein Vater mit schmerzverzerrtem Gesicht, er selbst laut und zornig und ohne ein Abschiedswort. Auch jetzt stieg Wut in ihm auf, wenn er nur daran dachte.
Aufgebracht stapfte er den Weg vor dem Klostertor auf und ab, mitten durch die Pfützen, dass es nur so spritzte. Wer war er eigentlich, dass man ihn stundenlang warten ließ wie einen heimatlosen Bettler, dazu in diesem kalten Nieselregen? Hatten die Holdersteiner dem Kloster nicht großzügig Geld und Güter überlassen, für Jahrzeitstiftungen und Seelenmessen für Antonias Vater und Bruder und nicht zuletzt für seine verstorbene Mutter? Nein, er würde sich von diesen Kuttenweibern nicht abspeisen lassen wie ein Schulknabe.
«Junker Phillip von Holderstein?»
«Ja.» Mit einem Satz war Phillip bei der geöffneten Luke. Im Dunkel der Pförtnerstube konnte er nur schemenhaft ein Gesicht wahrnehmen. «Seid Ihr Lucia Störkin, die Äbtissin?»
«Nein, Camilla von Grüningen. Priorin dieser Abtei und betraut mit den inneren Angelegenheiten. – So hat sich also mein Verdacht bestätigt.» Der Klang ihrer Stimme wurde schärfer. «Ihr seid wahrhaftig jener liederliche Schelm, der sich auf infame Weise Zutritt zu unserer heiligen Stätte verschafft und unsere Schwester Antonia ums Haar zur feilen Dirne gemacht hat. Jener Wüstling, der …»
«Was erlaubt Ihr Euch! Ich bin noch immer ein Holdersteiner für Euch, und Antonia von Oberthann ist meine Braut.»
«Unsere Jungfer ist zur Braut Christi bestimmt, nichts anderes. Ihr habt sie zwar mit Euren teuflischen Verführungskünsten in Versuchung geführt und ihr gehörig den Verstand vernebelt, doch dem Allmächtigen sei Dank hat sie auf den rechten Weg zurückgefunden.»
«Was soll das heißen?»
«Dass sie das ewige Gelübde ablegen wird. In Kürze schon.»
«Diesen Unsinn soll ich Euch glauben? Bringt sie her, damit sie es mir ins Gesicht sagt.»
«Das ist nicht möglich.»
«Was soll das? Ist Antonia hier etwa eingekerkert? Eine Gefangene des Herrn?»
«Sie will Euch nicht mehr sehen.»
«Ihr lügt!» Phillip ballte die Fäuste. «Ihr lügt, wenn Ihr nur den Mund aufmacht.»
«Vorsicht, junger Mann! Hütet Eure Zunge!»
Jetzt geriet Phillip vollends außer sich. «Doctor Luther hat ganz recht. Nichts als eitles, heuchlerisches Geschwärm eines kranken Papsttums seid Ihr Nonnen und Mönche. Pfui Teufel!»
Er spuckte aus.
«Genug! Hinfort mir dir, Ketzerbube! Sonst lass ich die Wache holen.»
«Dann holt sie doch.» Er trat mit dem Stiefel gegen das Tor, wieder und wieder. «Aber deshalb wird Antonia doch nicht zur Nonne. Niemals.»
Kein Paternoster später öffnete sich die Fußgängerpforte, und zwei mit Schwert und Spieß bewaffnete Männer stürzten
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