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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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vor den Stuhl.
    «Unaussprechliche Schande hast du über unsere Gemeinschaft ausgegossen», hob die Priorin zu sprechen an. «Nicht nur gegen sämtliche Ordensregeln hast du verstoßen, sondern die Todsünde der Wollust begangen, deren die Höllenstrafe gewiss ist! An widerwärtigen Dingen hast du dich mit diesem Mannsbild ergötzt, hast dich in abscheulichster Geilheit ergangen, die deinen Geist verstummen ließ und deinen Leib aufgestachelt hat zu Lüsternheit und Fleischeslust. Und das alles im Weingarten des Herrn!»
    Scheinbar fassungslos riss sie die Arme gen Himmel. Mit leiser Stimme fuhr sie schließlich fort: «So nimm denn deine Strafe entgegen, aus der Hand von Maria Magdalena.»
    Gehorsam ließ Antonia sich auf die Knie sinken, den Blick auf die Priorin gerichtet.
    «Kehr mir den Rücken zu und verhülle dein Antlitz mit der Tunika! Nicht begehrliche Männerhände sollen dir die nackte Haut streichen, sondern diese Ruten», stieß die Priorin, immer noch außer sich, hervor und gab Magdalena einen Wink.
    Entgeistert drehte Antonia sich um. Unter kaum hörbarem Schluchzen schob ihre Schwester ihr das Unterkleid über den Kopf. Rücken und Hintern waren jetzt entblößt, den Blicken der Priorin ausgesetzt. Antonia war entsetzt.
    «Und nun sprich dreimal das Schuldbekenntnis.»
    Unter dem Schutz ihrer Tunika begann Antonia zu sprechen, während ihr vor Scham die Tränen über das Gesicht liefen. Auf ihr Amen hin erhielt sie drei Rutenstreiche. Beim ersten Mal wurden sie von Magdalena ausgeführt, nicht sonderlich stark, doch die Demütigung, splitternackt vor Camilla von Grüningen zu knien und von der eigenen Schwester geschlagen zu werden, schmerzte um so vieles mehr als die körperliche Züchtigung. Doch schon während des zweiten Schuldbekenntnisses hörte Antonia den Stuhl rücken und die Priorin zischen: «Gib die Ruten her!»
    Danach brannten die Schläge wie Feuer auf ihrer Haut. Vergebens wartete sie auf ein Zeichen oder ein Wort, sich wieder erheben und bedecken zu dürfen. Die neun Rutenstreiche hatten ihre Haut aufplatzen lassen, warm rann das Blut ihren Rücken hinab.
    «Nun lasset uns alle Christum gedenken», hörte sie die Priorin über sich, «unseren liebsten Jesus, unseren Seelenarzt. Er soll uns in seinem Blute gesund machen an Leib und Seele.»
    Während Camilla von Grüningen in ihrem mangelhaften Latein eine Lesung über die Geißelung Jesu darbrachte, wuchs in Antonia der Hass auf diese Frau. Nie zuvor hatte sie gehört, dass jemand vor versammeltem Konvent auf die bloße Haut gezüchtigt worden war!
    Endlich, nach dem gemeinsamen Gesang des sechsten Psalms, wurde sie entlassen. Die Siechenmeisterin führte sie hinüber in den Krankentrakt. Ohne ein einziges Wort mit ihr zu wechseln, säuberte sie ihre Wunden und legte ihr einen Verband an. Anschließend erhielt Antonia eine neue, saubere Tunika und musste wieder die Büßerzelle aufsuchen.
    Dort streckte sie sich bäuchlings auf dem Strohsack aus. Ihre Tränen des Zorns und der Scham waren versiegt, und auch der brennende Schmerz ließ allmählich nach. Selbst ihre Wut auf die hinterfotzige, verräterische Agnes verrauchte.
    «Es war nicht schlimm, Phillip», flüsterte sie in die Dunkelheit. Im nächsten Augenblick schon war sie vor Erschöpfung eingeschlafen. Dabei suchte sie ein seltsamer Traum heim: In einem halsbrecherischen Ritt auf einem dunkelgrauen Schimmel preschte sie durch einsame Landschaften, mutterseelenallein. Das Pferd war nicht mehr zu halten, raste mit ihr durch unwegsame Waldstücke, über Stoppeläcker und Flussläufe hinweg, als es vor einer tiefen Schlucht scheute. Im hohen Bogen wurde sie über den Hals des Tieres geschleudert, dann stürzte sie kopfüber in die Schlucht. Sie fiel und fiel und fiel – doch anstatt zu sterben, wurde ihr plötzlich federleicht zumute, und sie begann zu schweben. Eine Stimme rief nach ihr, eine sanfte, zärtliche Stimme, Phillips Stimme. Und da wusste sie, dass alles gut würde.
     
    Den restlichen Tag verbrachte Antonia in ihrer Zelle, nur zum Mittag- und Abendessen wurde sie von Agnes in den Speiseraum der Novizinnen geführt. Dort erhielt sie einen Becher Wasser und einen Kanten Brot, den sie auf dem Boden kniend, mit gesenktem Blick, verzehren musste. Sie spürte förmlich, wie alle sie anstarrten, und als sie einmal verstohlen den Kopf hob, sah sie Vrena, wie sie mit Tränen in den Augen zu ihr herüberblickte. Wie gern hätte sie ihr etwas Tröstliches gesagt, ihr

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