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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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so hatte er ganz offensichtlich nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sich nun mit dem Weib zu verloben.
     
    Drei Tage später, am Vortag der Profess, begab sich Antonia zusammen mit den anderen Novizinnen in den Kapitelsaal, um dort als Letztes auch das geistliche Oberhaupt des Klosters, ihren Propst, zu bitten, das feierliche und ewige Ordensgelübde ablegen zu dürfen. Am Sonntag dann erhielt sie aus der Hand des Vaterabts von Lützel den geweihten Schleier und die neue Tracht, legte ihm und der Äbtissin das Gehorsamsgelöbnis ab und war somit für immer aufgenommen in den Orden der Cistercienserinnen. Ihre persönliche Habe, auch die Augengläser ihres Vaters, wurde als Almosen an die städtischen Hausarmen gegeben.

23 Abtei Marienau, Frühsommer 1522
    D ichte Wolken zogen von Westen her auf und ließen die Sonne bald schon verschwinden. Hoffentlich würden sie das Wiesenstück, das am Rande der Großen Au lag, noch schaffen, bevor der Regen einsetzte.
    Noch kraftvoller holten sie aus und zogen in Dreierreihen und unter Psalmengesang die Sensen durch das Gras. Inzwischen hatten sie zu einem einheitlichen Rhythmus gefunden, den die große, schlanke Gestalt von Mutter Lucia vorgab. Antonia, die zwischen Dorothea und Agnes ging, spürte, wie ihr nach und nach immer leichter ums Herz wurde, während sie hier unter freiem Himmel, auf diesem saftig grünen Flecken Erde, gemeinsam die Sense schwangen. Ein Graureiher zog über sie hinweg, und sie stellte sich vor, wie hübsch es aus seiner Warte aussehen musste, diese Kolonne schwarz-weißer Gestalten, die sich in völligem Gleichmaß und anmutigen Schwüngen vorwärtsbewegten, fast wie bei einem höfischen Tanz.
    Der Schweiß, der ihr auf der Stirn stand, störte sie ebenso wenig wie die Mückenstiche, und am nächsten Tag würden ihr wahrscheinlich Arme und Handgelenke schmerzen. Für sie war es eine wunderbare Überraschung gewesen, als heute Morgen das Glöckchen früher als sonst zur Prim geläutet und die Äbtissin ihnen nach einer verkürzten Kapitelsitzung verkündet hatte, dass sie sich zur Mahd in die Au begeben würden.
    Antonia war nicht entgangen, wie einige Schwestern ihr Gesicht verzogen hatten. Bislang nämlich war die Heuernte durch die Laienschwestern und Knechte eingebracht worden. Doch die Äbtissin hatte durchgesetzt, dass zumindest zweimal im Jahr, zur Heuernte und zur Weinlese, die Konventfrauen künftig selbst mit Hand anlegten, getreu dem alten Grundsatz
ora et labora
– bete und arbeite!
    Noch eine weitere Neuerung hatte Mutter Lucia eingeführt, die sie als ein «mit der Zeit gehen» begründete: Während der Erholungszeiten durften sie sich nun, wenn ein Anlass gegeben war, unterhalten, und zwar ohne Scheu in deutscher Sprache. Das galt erst recht für die Unterredungen mit ihr oder dem Propst, da in der eigenen Sprache die Worte freier und ehrlicher über die Lippen kämen. Nur was das geistliche Leben betraf, stellte sie weiterhin hohe Anforderungen. Für Kirche, Schlaf- und Speisesaal galt absolutes Stillschweigen; Exerzitien und Stundengebete, Demut und Askese mussten unbedingt eingehalten werden.
    Noch bevor die ersten Regentropfen fielen, hatten sie das Wiesenstück fertig gemäht. So wie der Himmel aussah, würde es nur ein kurzer Schauer sein. Bald würde wieder die Sonne herauskommen und das Gras zu duftendem Heu trocknen. Nach einem Gebet zogen sie unter Psalmengesang zurück ins Kloster, wo sie ein kräftiges Mittagsmahl erwarten würde.
    Kaum dass sie unter dem weit geöffneten Tor hindurchmarschiert waren, war es wieder da, dieses Gefühl der Beklemmung. Wie ein alter Bekannter, der von einer langen Reise heimkehrte. Antonia war verwirrt. Hatte sie doch gedacht, sich an das Leben hinter Mauern gewöhnt zu haben. Zumindest seitdem sie wusste, dass Phillip eine Frau gefunden hatte und sie ihn wohl nie wiedersehen würde. Aber ihr Freiheitsdrang hing nicht nur an Phillip, das wurde ihr jetzt bewusst.
    An der Brunnenschale im Kreuzgang wuschen sie sich die Hände. Die Äbtissin nahm Antonia zur Seite.
    «Komm nach dem Essen bitte zu mir in meine Stube. Ich möchte etwas mit dir besprechen.»
    Als sie Antonias fast erschrockenen Blick sah, fügte sie lächelnd hinzu: «Du wirst dich freuen.»
    Da bis zum Mittagessen noch etwas Zeit blieb, kehrte Antonia in ihre Zelle zurück und stellte den Schemel ins Licht des einzigen Fensterchens. Es hatte etliche Wochen gebraucht, bis sie sich, vor allem des Nachts, an das Alleinsein in diesem

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