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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Nonne in vorderster Reihe guckte in der Gegend herum, als sähe sie die Welt zum ersten Mal.
    Nachdem er das Pferd in den Stall zurückgebracht hatte, kam er gerade noch rechtzeitig bei Molitoris an, in dessen geräumiger Wohnstube die Vorlesungen und Disputationen für die Studenten des Triviums stattfanden. Für diesmal ging es um die logischen Schriften des Aristoteles, doch Phillips Gedanken waren immer wieder abgeschweift zu jenem Bild der wandernden Nonnen, das ihn nicht mehr losließ. Natürlich hatten die frommen Frauen aus der Entfernung alle gleich ausgesehen, doch die, die energischen Schrittes zuvorderst marschiert war, hatte ihn so sehr an Antonia erinnert, dass es weh tat. Auf diese Art war sie immer neben ihm herspaziert, wenn die warme Jahreszeit angebrochen war. Mit glücklichem Gesicht, den Blick nach links und rechts schwenkend, die Nase wie ein Jagdhund in den Wind. Wie tief die Erinnerung an sie immer noch in ihm verwurzelt war!
    Dabei hatte er es doch tatsächlich geschafft, nicht mehr an sie zu denken. Er hielt es sogar aus, dass Breisach mit seinem verfluchten Kloster nur einen halben Tagesritt von hier entfernt lag. Und den schwärzesten Tag seines Lebens, da er von Antonias ewigem Gelübde erfuhr, hatte er mit Erfolg verdrängt. Doch jetzt kehrte alles zurück:
    Nachdem ihn damals diese elende Vettel von Priorin durch ihre Wärter hatte verjagen lassen, war er nach Breisach aufs Rathaus gezogen, um Klage einzureichen, Klage gegen das Kloster Marienau, wo man seine Braut, die Novizin Antonia von Oberthann, gegen deren Willen festhalte. Leider war der Klostervogt aushäusig gewesen, und so hatte nur ein verhuschter Schreiberling seine Klage entgegengenommen, wenngleich schriftlich und mit Brief und Siegel. Alles werde seinen Gang gehen, hatte man ihm versichert, man werde die Sache überprüfen, ansonsten solle er sich gedulden und wieder heimreisen. Man werde einen Boten schicken, sobald es Neuigkeiten gebe. Seine Geduld indessen war auf eine harte Probe gestellt worden. Nachdem die ersten schneereichen Winterwochen vorüber waren, wollte er schon sein Pferd satteln, als endlich der Gerichtsbote auf Neu-Eberstein eintraf und ihm die Nachricht überbrachte, dass Antonia den Schleier genommen hatte. Seither war etwas in ihm zerbrochen. Warum nur hatte sie nicht länger auf ihn gewartet? Hatte sie so wenig Vertrauen in ihn? Hatte er sich in ihren Gefühlen getäuscht?
    Aus schierem Trotz hatte er am Ende seiner Ebersteiner Zeit mehrfach versucht, mit Mädchen anzubändeln, ohne dass sich indessen jemals irgendwelche Gefühle in ihm geregt hätten. Und hier in Freiburg hatte er sich von Egbert sogar ins Dirnenhaus mitschleifen lassen. Das Stelldichein mit der drallen, nicht mehr ganz jungen Hübschlerin war ein mehr als schaler Genuss gewesen, und die Befriedigung, die ihm die gute Frau schließlich verschafft hatte, hatte ihn hinterher mit Widerwillen erfüllt. Seither hatte er Frauen gemieden.
    Als sein gestriger Studientag mit der letzten Nachmittagsvorlesung endlich zu Ende gegangen war, war er mehr als heilfroh gewesen, denn er hatte sich zwei Tadel für Unaufmerksamkeit eingefangen: einen von seinem Hausherrn Molitoris persönlich, einen von Magister Knobloch, der die Rhetorik unterrichtete. Egbert war erst zum Nachmittag in den Kreis der Scholaren gestoßen, besser gesagt: hereingehumpelt gekommen, und wie immer mit einer phantasievollen Ausrede.
    «Verzeiht, Magister Knobloch», schmerzvoll verzog er das Gesicht, «aber mich hat’s heut Morgen doch glatt von meinem neuen Pferd gehauen. Ein rechter Wildfang und Satansbraten – nicht wahr, Phillip? Du hast’s doch von weitem gesehen?»
    Phillip nickte unbestimmt.
    Zum Dank für diese kleine Notlüge hatte Egbert ihn zum Feierabend in den Roten Bären eingeladen, ein Gasthaus in der Salzgasse, das für seine gute Küche bekannt war und wo Phillip die Zeche niemals aus eigener Tasche hätte bezahlen können. Ein Blick ins Nebenzimmer verriet ihnen, dass sich wie immer einige Professoren und Doctores zum Essen versammelt hatten, darunter auch Egberts Wohnherr, der Juraprofessor und Schöpfer des Freiburger Stadtrechts Doctor Ulrich Zasius.
    «Du solltest das Studium ernster nehmen», sagte Phillip, während sie sich an einen kleinen Ecktisch drückten. «Molitoris lässt dich sonst bei der Prüfung durchfallen. Außerdem fehlen dir noch drei Zettel.»
    «Hältst mir wieder eine Strafpredigt, elender Streber?» Egbert grinste fröhlich und

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