Die Himmelsfestung
verurteilt sein. Hörst du? Ich will nicht…!«
Mythor nickte zögernd.
»Du mußt mir helfen!« stieß der Sterbende tonlos hervor.
»Wo finde ich deine Totenmaske? Trägst du sie bei dir?«
Te Nauk schien die Fragen nicht einmal mehr wahrgenommen zu haben. Sein Blick verlor sich irgendwo in der hereinbrechenden Finsternis.
»Schwöre, daß du mir beistehst!« ächzte er. »Schwöre bei allem, was dir heilig ist!«
»Ich schwöre«, sagte Mythor. »Bei… meinem Schwert.«
Ein Lächeln huschte über Oggryms verzerrte Züge. Ein Aufbäumen durchlief seinen Körper, dann starrten seine Augen gebrochen ins Leere. Mythor drückte ihm die Lider zu.
»Weißt du, wovon er sprach?« rief Fryll. »Wer ist dieser Coerl O’Marn?«
»Der Name sagt mir nichts. Ich glaube kaum, daß ich ihn je zuvor gehört habe.«
»Du solltest dir Mühe geben und über die Dinge nachdenken, die du nicht kennst«, erklang es aus dem Dunkel der Nacht.
»He, das muß Tildi sein«, machte Barborur überrascht.
»Natürlich, wer denn sonst.« Das Wurzelweib trat hinter einem Baum hervor und vollführte eine umfassende Handbewegung. »Einen wunderbaren Platz habt ihr euch für die Nacht ausgesucht. Aber glaubt ja nicht, daß ich hier bleibe. In Gegenwart von Toten ist mir unbehaglich.«
»Uns bleibt keine andere Wahl«, sagte Ilfa. »Außerdem werden die Mangoreiter hierher gewiß nicht so schnell zurückkehren.«
»Pah«, machte die Krause Tildi und verschwand so schnell wie sie gekommen war.
»Vielleicht sollten wir ihr folgen«, überlegte Mythor, aber Barborur hielt ihn zurück.
»Du wirst sehen, das Wurzelweib hält es nicht lange allein aus.«
*
Die Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle, trotzdem schreckte Mythor immer wieder hoch und griff zum Schwert, nur um schließlich feststellen zu müssen, daß ein Traum ihn genarrt hatte. Weder Mangoreiter noch die Geister der gefallenen Ritter verirrten sich zwischen die Felsen. Die Schemen, die vereinzelt durch den Wald strichen und dumpfe Rufe vernehmen ließen, waren Steinkäuze auf der Suche nach Beute.
Zum Morgen hin wurde es kühler. Mythor erwachte, weil jemand ihn heftig schüttelte. Mit einem heiseren Ausruf kam er auf die Beine.
»Na endlich«, seufzte die Krause. »Wie kann man nur bis in den hellen Tag hinein schlafen?« Sie übertrieb, denn immerhin zeichnete sich gerade erst eine fahle Helligkeit über den Wipfeln der Bäume ab.
Tildi hatte Beeren, Pilze und Wurzeln mitgebracht und ausgebreitet.
Mit einem wahren Heißhunger stopfte sie fast die Hälfte davon in sich hinein. »Es ist alles genießbar«, sagte sie schließlich. »Ihr dürft ruhig zugreifen.«
»Wo steckt Fryll überhaupt?« wollte Mythor wissen. »Sucht er auch Beeren?«
Die Krause verzog die Mundwinkel zu einem abfälligen Grinsen. »Schrate sind manchmal wie Nachtschatten. Mach dir um ihn keine Sorgen.«
»Er hat mir erzählt«, ließ Barborur kauend vernehmen, »daß Mangoreiter ihn überfallen hätten. Sie wollen, daß alle Bewohner des westlichen Hinterwalds ihre Heimat verlassen.«
»Warum?« machte Tildi überrascht.
»Was weiß ich«, brummte der Taetz. »Die Krieger besitzen die Macht, ihren Willen überall durchzusetzen.«
»Weshalb wehrt ihr euch nicht gegen sie?« wollte Mythor wissen.
Das Wurzelweib raufte sich mit beiden Händen ihr struppiges, krauses Haar. »Wehren?« echote sie. »Wie?«
»Damit.« Ilfa hob ihren Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Sie zielte auf den nächsten Baum, und der Pfeil drang fast eine halbe Handspanne tief in das Holz ein. »Ihr seid genug und kennt jedes Versteck. Lockt die Reiter ins Moor, greift sie aus dem Hinterhalt an…«
Heftig schüttelte Tildi den Kopf. »Ich denke überhaupt nicht daran, auch nur einen einzigen Hinterwäldler zum Widerstand aufzurufen.«
»Was dann?«
»Wir werden den Mangoreitern kampflos weichen.«
»Das ist nicht dein Ernst«, erschrak Mythor. »Weißt du, was du damit aufs Spiel setzt?«
»Immer noch besser, als wenn Hunderte von uns sterben, weil sie das Kämpfen nicht gewohnt sind.« Die Krause fuchtelte mit beiden Armen in der Luft herum. »Und jetzt Schluß damit, ich will nichts mehr hören.«
Sie schickten sich zum Aufbruch, denn Barborur mußte spätestens bis zum Abend des vierten Tages die Himmelsfestung erreicht haben. Er hatte sich noch nie verspätet und wollte auch diesmal die beiden Taetze nicht warten lassen.
»He, nehmt mich mit!« erklang es plötzlich aufgeregt. Fryll hastete
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