Die Himmelsfestung
Geäst der Bäume. Es sind Abenteurer und Schatzsucher, die sich in unserem Wald niedergelassen haben und nun im Unterholz ›fischen‹, indem sie Fangnetze werfen und Fallen stellen. Gerade deshalb geraten sie oft mit dem Gnomenvolk in Streit. Keiner ist auf den anderen gut zu sprechen, doch eine Todfeindschaft besteht deshalb nicht. Früher traten manchmal auch Ausgestoßene in die Dienste der Aegyr.«
Fryll nickte eifrig, um die Aussage des Taetzen zu bestätigen.
»Vielleicht könnten wir sie für einen Kampf gegen die Mangokrieger gewinnen«, überlegte Ilfa. »Ist der Weg in ihr Gebiet weit?«
»Ich werde euch führen«, sagte Barborur.
»Ich denke, du willst schnellstens zur Himmelsfestung«, machte Mythor erstaunt.
»Wir haben trotzdem dieselbe Richtung.«
Mit einer Vielzahl von Gesten erklärten sie Roar ihr Vorhaben. Nach einer Weile sprang er auf einen der nächsten Bäume, kletterte etliche Mannslängen weit hinauf und bewarf sie von oben mit Zapfen, die in seiner Reichweite hingen. Dazu stieß er eine Reihe eigentümlicher Knurrlaute aus.
»Ich denke, er hat begriffen«, bemerkte Fryll grinsend. »Selbstverständlich begleite ich euch ebenfalls.«
»Hast du keine Angst vor den Ausgestoßenen?«
»Ach was.« Der Schrat winkte großzügig ab – eine Spur zu rasch, um wirklich glaubwürdig zu wirken. »Tildi ist manchmal schreckhaft wie ein Waschweib, und sie ist launisch. Ich fürchte mich nicht.« Dabei sah er Mythor lauernd von der Seite her an – ein Blick, der diesem keineswegs entging. In gewisser Weise machte Fryll einen gehetzten Eindruck.
»Du verstehst dich besser mit den Ausgestoßenen, als die Krause?« wollte Mythor wissen.
»Keiner ist gut auf sie zu sprechen«, behauptete Barborur. »Auch Fryll nicht. Wenn uns nichts aufhält, können wir bis zum Abend ihr Gebiet erreichen.«
Vergeblich versuchten sie, die Streitrösser der Lichtkrieger einzufangen, aber die Tiere waren scheu geworden. Mythor und seine Begleiter nahmen sich dann dennoch die Zeit, den Gefallenen die letzte Ehre zu erweisen, indem sie alle unter einem großen Steinhaufen begruben. Die Schwerter der Toten steckten sie zwischen die Steine.
»Wir sollten darauf achten, unsere Spuren zu verwischen«, warnte der Taetz. »Falls die Mangoreiter uns aufspüren, werden wir es schwer haben.«
Sie kamen zügig voran. Mit der Zeit wurde der Boden felsiger; die Wurzeln der Bäume wanden sich wie Schlangen über die Oberfläche. An einem schmalen Wasserlauf machten die Wanderer gegen Mittag Rast und erfrischten sich. Da Mythor den Stand der Sonne nur erahnen konnte, mußte er sich auf sein Gefühl verlassen. Sein knurrender Magen verriet ihm jedenfalls, daß es an der Zeit war, etwas Eßbares aufzutreiben. Die Beeren und roh genossenen Pilze hatten nicht lange vorgehalten.
Mit Pfeil und Bogen erlegte Ilfa zwei kleine, unterarmlange Tiere, die rasch gehäutet, ausgenommen und auf kräftige Äste gespießt wurden. Währenddessen entfachte Roar in einer Senke am Bachufer ein ansehnliches Feuer, das ohne jede Rauchentwicklung brannte und kaum weiter als fünfzig Schritt gesehen werden konnte. Schon bald verbreitete sich würziger Bratenduft.
»Mythor«, sagte Fryll plötzlich, während er zögernd an einem Fleischbrocken schnupperte, »du weißt, daß der kalte Reiter Hogun noch immer nach dir sucht. Du solltest dich ihm stellen.«
Überrascht blickte Mythor den Schrat an, dann schüttelte er den Kopf. »Wenn Hogun den Kampf will, wird er mich finden.«
»Ich meine«, druckste Fryll herum, »du solltest die Begegnung nicht mehr zu lange hinauszögern.«
Mythor hegte plötzlich einen ganz bestimmten Verdacht. »Du hast Hogun wieder versprochen, mich ihm auszuliefern?«
»Naja«, wand der Schrat sich unbehaglich. »Damals…«
»Hast du Barborur nicht erzählt, daß Mangoreiter dich überfallen hätten? Ich nehme an, Hogun war einer von ihnen.«
Fryll nickte zögernd. »Er war dabei«, gestand er erleichtert. »Und er ließ mir keine andere Wahl, als ihm zu schwören, daß ich dich ausliefern werde.«
»Na also«, machte Mythor. »Was ist daran so schlimm, daß du es verheimlichen wolltest?«
»Wenn du das Ganze so siehst, eigentlich nichts«, grinste der Schrat. »Und? Wirst du dich dem kältesten aller kalten Reiter stellen?«
»Ich muß zugeben, daß es mich reizt, mich mit ihm zu messen«, sagte Mythor. »Aber das hat Zeit.«
*
Je weiter sie kamen, desto seltsamer wirkte der Wald. Frisches Grün hing kaum noch an
Weitere Kostenlose Bücher