Die Himmelsfestung
verkroch und den Lauf der Dinge einfach abwartete. Er war überzeugt davon, daß auch Hogun die Himmelsfestung angreifen würde und somit zwangsläufig auf Mythor treffen mußte.
Der Tag verging rascher als für gewöhnlich. Erst als es leicht zu regnen begann, wurde Fryll bewußt, daß der Abend angebrochen war. Nebel stieg von den Hängen des Talkessels auf, in dem er sich gerade befand; golden glitzerte der kleine See, an dem er vorbeigekommen war.
Es wurde rasch dunkel. Fryll sehnte sich nach der molligen Wärme der Erdhöhle im Wurzelstock seines Freundes Raegeseder. Aber statt dessen war er den Unbilden der Witterung schutzlos ausgesetzt. Er fror, und die Nässe widerte ihn an. Stumpfsinnig einen Fuß vor den anderen setzend, wanderte er weiter. Wenn er sich jetzt irgendwo niederließ, um die Nacht abzuwarten, würde die Kälte sich nur um so ärger bemerkbar machen.
Irgendwann sah Fryll nicht weit vor sich ein Licht schimmern. Erst glaubte er, daß seine Augen ihn trogen, doch als der helle Schein nach einer ganzen Weile immer noch da war, entschloß er sich, darauf zuzugehen. Diese Region vom Hinterwald war selbst ihm fremd. Möglicherweise lebten Menschen hier oder andere Wesen, die ihm wenigstens für einige Stunden Unterschlupf gewähren konnten.
Hingeduckt zwischen weit ausladenden Bäumen stand eine kleine Hütte. Sie war aus grob gehauenen Steinen errichtet. In dem strohgedeckten Dach gab es eine kleine Öffnung, aus der heller Rauch aufstieg. Der Lichtschimmer fiel durch die einzige Fensteröffnung. Eine grobe Tierhaut verhinderte jedoch, daß der Schrat einen Blick ins Innere werfen konnte.
Die Hütte durchmaß nicht mehr als vier Schritt im Geviert. Fryll verharrte und lauschte angestrengt, aber nichts war zu hören. Entweder schliefen die Bewohner schon, oder sie waren noch nicht zurückgekehrt.
Die Tür hing nur angelehnt in den Angeln. Der Schrat schob sie vorsichtig auf.
»Hallo«, sagte er und hielt vorsichtshalber seinen Zauberstock abwehrend vor sich. Aber niemand war da, der ihm antworten konnte.
Es gab nicht viel zu sehen. In einer Ecke des einzigen Raumes stand ein dreibeiniger Tisch, darauf etliche Tiegel und Töpfe. Ein Krug lag am Boden; der ausgelaufene rote Wein verbreitete einen herben Geruch. In der Mitte glommen die Reste eines Holzfeuers, und zu beiden Seiten des Feuers ragten große Steine aus dem Boden. Daneben fanden sich je zwei Holzkloben.
Die Wärme tat gut. Erst rieb Fryll sich die klammen Hände über der erlöschenden Glut, dann fachte er sie von neuem an und legte die restlichen kleinen Scheite auf, die er neben der Feuerstelle fand. Er setzte sich auf einen der Steine und stierte in die Flammen.
So mußte er wohl eingeschlafen sein, denn als er jäh aufschreckte, saß ihm gegenüber ein kleiner, greisenhaft wirkender Mann auf dem zweiten Stein. Er sagte nichts, sondern starrte den Schrat nur aus zusammengekniffenen Augen unbewegt an. Das Auffälligste an ihm war wohl seine große, hakenförmige Nase, die gut die Hälfte des Gesichts einnahm. Er schien uralt zu sein – seine flache, fliehende Stirn ging ohne erkennbaren Ansatz in die kahle Schädeldecke über, und der schüttere blonde Haarkranz wurde zu einem steifborstigen Vollbart. Die wulstigen, spröden Lippen befanden sich unablässig in Bewegung, ohne daß auch nur ein einziger Laut erklungen wäre. Seine Augen waren grün wie das Wasser eines unergründlichen tiefen Sees. Sie lagen hinter breiten, vorspringenden Brauenwülsten verborgen.
Fryll schien der Fremde nicht geheuer. Er wußte seine Gefühle nicht zu deuten, aber irgend etwas erschreckte ihn an diesem Mann von zwergenhaftem Wuchs. Seinen Stock hielt er fest umklammert und bereit zuzuschlagen, falls der andere ihn angriff.
Das Feuer war mittlerweile heruntergebrannt und drohte zu erlöschen. Unverhofft bückte der Fremde sich, nahm einen der schweren Holzklötze auf, zerbrach ihn über dem Knie, als handele es sich lediglich um einen dürren Ast, und legte die Teile aufs Feuer, das sofort prasselnd aufloderte. Der Geruch von brennendem Holz durchzog die Hütte.
»Bist du stumm?« fragte Fryll. Sein Gegenüber starrte ihn unverwandt an, aber er erhielt keine Antwort.
Zwei Stunden mochten vergangen sein, als das Feuer wiederum dem Erlöschen nahe war. Aus Furcht hatte der Schrat kein Auge zugetan. Nun bedeutete der Fremde ihm, er solle ebenfalls eines der Hölzer auflegen. Aber Fryll vermutete eine List und erhob sich nicht.
Die Flammen
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