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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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bedeutenderen Eigenarten überragt worden. Nein, richtig verändert hatte er sich nicht.
    "Hatte er in der letzten Zeit private Probleme? Stimmungsschwankungen vielleicht?"
    "Altomonte neigte nicht zu Depressionen, wenn Sie das meinen. Er war jemand, der immer alles im Griff hatte, der genau wusste, was er wollte. So jemand wird nicht trübsinnig." Ich schüttelte den Kopf. "Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie an Selbstmord denken." Altomonte hatte zwar alles bekommen, was er wollte, und einen anderen hätte womöglich eine schwere Sinnkrise befallen: Noch keine Fünfzig und schon am Ziel seiner Träume! Gab es etwas Bedeutenderes als den Nobelpreis? Nicht so Altomonte. Nicht der Altomonte, den ich kannte. Ich war sicher, dass er irgendeine neue Aufgabe gefunden hatte, eine, die ihn genauso faszinierte und forderte wie die anderen davor. Nein, Selbstmord war ausgeschlossen.
    "Vielleicht kein Selbstmord. Selbstverschulden, ja. Leichtsinn, Fahrl ässigkeit." Der alte Kommissär rutschte auf seinem Polster hin und her. "Schauen Sie, letzte Woche hat ein Ingenieur des Elektrizitätswerkes mit einem Schraubenzieher eine Starkstromleitung berührt. Wieso stochert jemand plötzlich in einer Hunderttausendvoltleitung herum? Noch dazu einer, der seit zwanzig Jahren dort arbeitet und die Risiken genau kennt? War er in Gedanken, abgelenkt? Hat der tägliche Umgang mit der Gefahr dazu geführt, dass er sie nur noch verstandesmäßig erfassen konnte? Hat er sich zu sicher gefühlt? Wir wissen es nicht. Solche Dinge passieren jeden Tag, ohne dass wir sie hinreichend erklären könnten." Er hatte ruhig und lächelnd gesprochen, so als wollte er sagen, die Welt sei zwar nicht so simpel, wie ich sie mir vorstellte, das sei aber nicht tragisch.
    "Bei einem Unfall wirken meistens mehrere Dinge zusammen", murmelte ich in Erinnerung an irgendeine Brosch üre.
    "S ehen Sie! Menschliches Versagen beispielsweise. Ein komplizierter Versuch, große Energiemengen, nicht eingehaltene Sicherheitsvorkehrungen, der eine oder andere kleine Fehler vielleicht, eine falsche Berechnung, das eine kommt zum anderen und schon, peng!, alles fliegt in die Luft."
    Es gab eine Grauzone zwischen Absicht und Unbedachtheit.
     
    Am sp äten Nachmittag sollte sich eine weitere Merkwürdigkeit ereignen. Diesmal sollte das Interesse an meiner Person telefonisch angemeldet werden und deutlich machen, dass mir in dieser Geschichte offenbar eine wichtige Rolle zugedacht worden war. Ich wurde in der Hotellounge ausgerufen und eilte zur Telefonzelle in der Erwartung, die Redaktion habe eine Nachricht für mich. Stattdessen war eine mir unbekannte Frau am Apparat.
    "Herr Thomas Heilant?"
    "Ja?"
    "Ich habe Sie heute auf der Beerdigung gesehen."
    "Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?"
    "Ich bin … war eine Bekannte von Massimo." Ihre runde und weiche Stimme war mir vom ersten Augenblick an vertraut. Obwohl ich sicher war, sie heute zum ersten Mal zu vernehmen, schien es mir, als hätte ich schon unzählige Male mit dieser Frau gesprochen.
    "Was wollen Sie?" fragte ich m üde.
    "Ich mu ss mit Ihnen sprechen."
    "Ich f ürchte, das geht nicht. Ich bin praktisch schon weg." Meine Tasche stand, fertig gepackt, an der Rezeption.
    "Dann m öchte ich Sie bitten, noch in Genf zu bleiben."
    "Warum sollte ich das tun?"
    Sie machte eine Pause. Dann sagte sie mit leiser Stimme: "Altomonte ist nicht eines natürlichen Todes gestorben."
    "Das ist mir bekannt."
    "Nein, ich meine, jemand hat ihn umgebracht …", sie stockte "oder etwas ..." Sie klang geheimnisvoll, zu geheimnisvoll, wie mir schien, und ich stellte mir vor, wie sie diesen Spruch für mich eingeübt hatte.
    "S ie meinen, ein paar Außerirdische oder der sowjetische Geheimdienst?"
    "S ie glauben mir nicht?" Sie klang ehrlich erstaunt, und ich fragte mich, ob ich nicht vorschnell geurteilt hatte. "Ich bin im Besitz einiger Dinge, die Sie interessieren könnten. Beweise …", fügte sie vielsagend hinzu.
    Jetzt war ich an der Reihe, eine Pause einzulegen. Was, wenn sie tats ächlich nicht bluffte? Plötzlich sah ich das Gespräch mit dem Kommissär in einem anderen Licht. Sollte es doch mehr als ein unbedeutender Unfall gewesen sein? Doch, anstatt mein Interesse zu wecken, verursachte diese Vorstellung nur eine Art geistigen Völlegefühls. Nach so vielen Jahren bekam mir diese Überdosis Altomonte nicht. Er war tot. Alles andere war unwichtig. Zumindest für mich. In Gedanken war ich schon in Hamburg. "Gehen Sie zur

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