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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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nichts passiert?" Wenn sie erregt war, litt ihr ansonsten passables Deutsch, doch das sollte ich erst später herausfinden.
    W ürdevoll antwortete Altomonte: "Wir sind Intellektuelle und nicht Männer der Tat. Du weißt, die Wissenschaft ist heute die eigentliche revolutionäre Kraft."
    "Monti, sei uno sporco reazionario!"
    "Alessandra, amore! Ich liebe dich, wenn du wütend bist!" brüllte er, als stehe er auf der Bühne und die letzte Reihe sei hundert Meter entfernt. Dann schaute er mich an, als ob er sagen wollte: Na Heilant, ist das eine Frau?!
    "Ich f ür mein Teil habe durchaus etwas für die direkte Aktion übrig", sagte ich mit einem Seitenblick auf die schöne Rachegöttin, entschlossen, mir diese Chance nicht entgehen zu lassen. Schon machte ich mir Hoffnungen, den Abend mit ihr allein zu verbringen.
    Doch Altomonte seufzte: "So sei es! Rudi, wo immer du auf deinem Totenbett liegen magst, wir kommen dich rächen." Er nahm seine Lederjacke und wir stürmten hinaus.
    Im Asta hatten sich etwa zwanzig Genossen versammelt. Nach und nach wurden es mehr. Die Stimmung war gedr ückt. Wir fühlten, dass das Attentat auf Dutschke alles änderte. Es war nicht wichtig, ob er nun tot war oder nicht. Es war nicht wichtig, ob es die Aktion eines Geisteskranken war oder ob Springer, die Bild-Zeitung oder der deutsche Gartenzwerg, wie einer vom SDS sagte, den Finger am Abzug gehabt hatte. Die unbekümmerte Militanz der Spaziergangsdemonstrationen des Herbstes war verflogen. Es war Krieg. Wir mussten jetzt entweder wirklich kämpfen oder aufgeben. Nichts würde wieder so sein wie zuvor.
    Es wurde hitzig dar über debattiert, ob sich die Heidelberger in Esslingen oder in Frankfurt an den Blockadeaktionen beteiligen sollten. Altomonte sagte kein Wort. Er rauchte ununterbrochen und beschränkte sich darauf, die Szene, die sich im bot, mit sichtlichem Vergnügen zu beobachten. Als Einziger schien er von den Ereignissen unberührt. Auch ich war in Gedanken woanders. Alessandra saß ein paar Meter von uns entfernt auf dem Boden. Ich beobachtete sie, wie sie der Diskussion folgte, bei dem einen oder anderen Argument trotzig nickte oder entgeistert den Kopf schüttelte. Sie hatte mit den Armen die Knie umfasst. Wenn es ihr zu unbequem wurde, warf sie die Haare zurück und lehnte sich an die Wand. Dann bewegte sie ihre Beine wie jemand, der sich im Bett räkelt, und machte irgendwelche Dehnübungen, um die Nacken- und Schultermuskulatur zu lockern. Sie wirkte sehr ernst, fast verzweifelt.
    "Hast du sie schon gev ögelt?" fragte ich Altomonte unvermittelt.
    Er sch üttelte den Kopf. "Noch nicht. Wie haben einmal zusammen gebadet. Aber da ist nicht viel gelaufen." Er lachte. "Die Südländerinnen sind ein bisschen verklemmt." Dann zwinkerte er mir zu. "Aber das werden wir ihr schon austreiben, oder?!"

GOTT WÜRFELT NICHT, ODER DOCH?
     
    Der Mai kam. In diesen Tagen sah es so aus, als ginge alles ganz schnell. Die Revolution stand vor der Tür, und dem morschen Establishment schien die Kraft zu fehlen, sich ihr entgegenzustemmen. Atemlos verfolgten wir die Ereignisse in Frankreich, und selbst Altomonte begann sich für Politik zu interessieren.
    In der Bundesrepublik galt der Kampf vor allem den Notstandsgesetzen. In Heidelberg wurden die amerikanischen Soldaten zur Fahnenflucht aufgerufen. Zwischendurch zogen immer wieder kleine Gruppen vor die Betriebe in den Pfaffengrund, um die, wie es hie ß, proletarischen Kräfte zu aktivieren.
    Fast immer war jetzt auch Altomonte dabei. Manchmal schien sein Interesse an der Bewegung mehr akademischer Natur. Mehrmals zitierte er einen gewissen Kuhn, der gerade eine Theorie wissenschaftlicher Revolutionen entwickelt haben sollte, und verglich die Umbr üche im Wissenschaftsbetrieb mit jenen, deren Zeuge wir gerade auf der Straße wurden. Tatsächlich schloss er sich mir, Alessandra oder anderen Kommilitonen und Mitbewohnern nun ohne Murren an, wenn es darum ging, bei der einen oder anderen Aktion mitzumachen. Es kam sogar vor, dass die Initiative von ihm ausging, dass er bei mir die Treppe herauf polterte, um mich in aller Herrgottsfrühe zu irgendeinem Fabriktor zu schleppen.
    Gleichg ültig wie sehr er sich engagierte, es war offensichtlich, dass er im Hintergrund bleiben wollte. Das erstaunte mich zunächst, denn das war eine Seite seiner Person, die ich bisher nicht kannte. Ein bisschen Mitläufer bis hin zur Dienstbeflissenheit, wenn er sich anbot, eine unbeliebte Aufgabe zu übernehmen,

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