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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Polizei. Was habe ich damit zu tun?"
    Meine Reaktion schien sie zu verwirren. "Sind Sie nicht Journalist?"
    Sie hatte recht, ich war Journalist. Es gab mehr auf der Welt als meine private Beziehung zu Altomonte. Ich seufzte: "Gut, dann sollten wir uns treffen."
    "Nicht jetzt", sie z ögerte, "ich rufe Sie wieder an."

DIE GÖTTIN DER RACHE TRITT AUF
     
    Als ich das Ding zum ersten Mal sah, dachte ich an eine Bastelarbeit. Altomonte musterte mich erwartungsvoll. Wie der Hobbyeisenbahner, der viel Zeit und M ühe in eine Vielzahl von Häuschen und Brücken, Bahnhöfen und künstlichen Wäldern gesteckt hat, der ganze Berge aufgebaut und an die richtige Stelle gerückt hat, schien er auf irgendeinen Ausruf der Bewunderung zu warten.
    Eine gr üne Plastikwanne in der Größe eines Schlauchbootes nahm den ganzen Schreibtisch ein. Sie war nicht besonders tief und nur eine Handbreit mit Wasser gefüllt. Die eigentliche Attraktion stellte aber zweifellos das Gebilde dar, das aus ihrer Mitte wie eine Insel aufragte. Aus dem Laufrad eines Hamsters hatte Altomonte etwas konstruiert, das entfernt an ein Wasserrad erinnerte. Anstelle von Schaufeln hatte er acht rechteckige Metallschächtelchen angebracht, die so aufgehängt waren, dass ihr Boden unabhängig von der Stellung des Rades immer nach unten wies. Über dem Rad endete ein Schlauch, durch den mit Hilfe eines kleinen Elektromotors Wasser hinauf gepumpt werden konnte.
    "Was sagst du dazu!"
    "Du hast deinen Goldhamster umgebracht?" An diesem Tag stellte ich zum ersten Mal fest, dass Schlagfertigkeit das einzige Mittel war, ihn, wenn auch nur für kurze Zeit, aus der Fassung zu bringen.
    Er lachte. "Pa ss mal genau auf!"
    Altomonte stellte die Pumpe an. Mit Hilfe eines Drehwiderstandes regelte er ihre Leistung auf eine bestimmte Stufe, und ein dünner Strahl ergoss sich aus dem Wasserzulauf in die oberste Radschaufel. Im gleichen Augenblick begann es aus ihrem Boden zu tropfen. Jede Gondel hatte mehrere Löcher, die für eine langsame und kontinuierliche Entleerung sorgten. Da aber mehr Wasser zufloss als unten wieder heraustrat, hatte sich die Schaufel bald gefüllt. Sie schwankte unmerklich hin und her und setzte sich schließlich gegen den Uhrzeigersinn in Bewegung. Die nächste Gondel kam heran und wurde im Vorübergehen halb gefüllt. Die Drehbewegung verstärkte sich, und schon nach wenigen Sekunden hatte sich das Rad in ein gleichmäßiges Kreisen eingependelt.
    "Gratuliere, du hast das Perpetuum Mobile erfunden."
    Wieder sah er mich an, als könnte er nicht entscheiden, ob ich scherzte oder tatsächlich nichts verstand.
    "Moment, gleich kommt 's!" Ungeduldig drehte er an dem Widerstand. "Schau dir das jetzt an!" sagte er triumphierend.
    Das Wasser gurgelte aus dem Schlauch, und die Radschaufeln f üllten sich höher als zuvor. Hinzu kam, dass es den Abflüssen in der kürzer gewordenen Zeit nicht mehr gelang, die Gondeln vollständig zu entleeren. So dauerte es nicht lange, bis das Rad langsamer wurde und schließlich stehenblieb. Sofort setzte es sich aber in die entgegengesetzte Richtung in Bewegung, und bald darauf wiederholte sich das Spiel mit umgekehrtem Vorzeichen.
    Munter ging es hin und her.
    "Gigantisch, oder?!" Altomontes Augen leuchteten durch die Schwaden seiner stinkenden Maiszigarette.
    "Ja", ich tat überrascht, "es oszilliert hin und her."
    "S onst siehst du nichts?"
    W ährend er mich resigniert ansah, beobachtete ich angestrengt das Hamsterrad, um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, der Altomontes Begeisterung hätte rechtfertigen können. Doch ich konnte nichts Neues entdecken. Das Pendel torkelte hin und her, durchsichtige Fäden seiner Flüssigkeit hinter sich herziehend.
    Tats ächlich hatte ich keinen Schimmer, von dem, um was es ihm ging. Ich ahnte noch nicht einmal, in welche Richtung ich denken sollte. Die Demonstrationsanordnung vermittelte mir genauso wenig Einsicht, als wenn ich in einen vollen Abfalleimer gestarrt hätte. Es lag nicht daran, dass irgendwas verborgen gewesen wäre. Es gab keinen doppelten Boden. Alles lag offen zutage. Was mir fehlte, war ein geistiges Gerüst, eine Plattform, in die ich die neuen Informationen wie Legosteine hätte einklinken können. Oder ich hatte ein anderes, ein unverträgliches System im Kopf. Es dauerte Wochen und Monate, bis ich die grundlegenden Begriffe und Mechanismen verstanden hatte. Es tröstet mich zu wissen, dass es Unzähligen nach mir ähnlich erging. Ich weiß nicht, wie lange sich

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