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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Whites Wohnung durch die Polizei hatte nichts ergeben. Wenn er noch einmal dort gewesen war, so hatte er nicht viel mitgenommen. Interpol war eingeschaltet worden, die internationale Fahndung war aber bislang erfolglos verlaufen. Tagelang wurde der Vorfall geheim gehalten. Erst am Donnerstag, den dreißigsten, wurde Liepman von einer Unbekannten, vermutlich einer Mitarbeiterin des Instituts, telefonisch und anonym über den Unfall informiert. Wenige Stunden später unterrichtete dann Professor Bell, der wissenschaftliche Direktor der Einrichtung, die Öffentlichkeit auch offiziell.
    Das war alles, was ich in den letzten Tagen mit Liepmans Hilfe hatte zusammentragen k önnen. Minutenlang starrte ich meine Kästchen und Ablaufdiagramme in der Hoffnung an, diese neu geschaffene Ordnung könnte das Rätsel lösen, und ein bislang übersehenes Detail oder ein unerkannt gebliebener Zusammenhang spränge mir ohne weiteres Zutun ins Auge.
    Aber gab es überhaupt ein Rätsel? Sicher, White hatte sich verdächtig gemacht und es lag nahe, ein Verbrechen, zumindest ein Verschulden zu vermuten, doch konnte sein Untertauchen vieles, wenn nicht alles bedeuten. Vielleicht hatte er Altomonte tatsächlich vorsätzlich ermordet. Hier fehlte das Motiv, doch es war nicht ausgeschlossen, dass sich eines fände, forschte man danach. Vielleicht hatte dieser engste Mitarbeiter und Freund aber nur Mist gebaut - wer konnte das ausschließen? - und die Anlage aus Versehen in die Luft gejagt. Er sieht, was er angerichtet hat, rennt in einer Kurzschlusshandlung Hals über Kopf aus dem Haus und findet Unterschlupf bei seiner Großtante in St. Moritz. Möglich, dass er zu dieser Stunde dem Kommissär gegenübersaß und zerknirscht seine Verfehlungen zu Protokoll gab. Aber auch andere Versionen waren denkbar. Vielleicht hatte White tatsächlich nichts mit dem Unfall zu tun. Als er seinen wissenschaftlichen Förderer plötzlich in seinem Blut am Boden liegen sieht, erkennt er seine Chance. Er, White, ist der einzige, der die bahnbrechende Entdeckung, an der sie bis dahin gemeinsam gearbeitet haben, zur Gänze überblickt. So rafft er die wichtigsten Unterlagen zusammen und beschließt, seine Dienste für gutes Geld, den Sowjets, den Chinesen, Amerikanern, Franzosen oder Engländern anzudienen.
    Mehr gab mein Hirn um diese Zeit nicht her, aber schon diese drei n ächstliegenden Szenarien klangen gleichermaßen unwahrscheinlich.
    Gerade wollte ich mich vom wackligen Tischchen erheben, um ins Bett zu gehen, als mir dann doch eine Ungereimtheit auffiel, die meiner Aufmerksamkeit bis dahin entgangen war. Selbst wenn Altomonte keine n äheren Verwandten mehr hatte, gab es keinen Grund, ihn von einer Studentin identifizieren zu lassen, mochte diese auch seine Assistentin sein. Ganz anders verhielte es sich, wenn sie mehr als das gewesen war, seine Geliebte zum Beispiel. Nein, davon hätte vermutlich niemand gewusst. Es musste mehr dahinter stecken, es musste sich um eine in irgendeiner Weise gesellschaftsfähige Verbindung handeln.
    Einer Eingebung folgend, griff ich zum Telefon und lie ß mich vom Nachtportier mit Montaigne verbinden.
    "Monsieur le Commissaire, ich hoffe, ich st öre Sie nicht." Schon hatte ich meine Unbedachtheit bereut. Es war zwar erst kurz nach zweiundzwanzig Uhr, aber der Kommissär schien jede Minute Ruhe bitter nötig zu haben.
    "A h, Monsieur Heilant! Wobei wollen Sie einen alten Mann schon stören?" Sein dünnes Stimmchen zitterte in der Leitung, als befände er sich auf einer weit entfernten Umlaufbahn. "Wie ich höre, sind Sie wieder unser Gast?"
    "Ja, die Redaktion meinte, die Umst ände seien, wie soll ich sagen, noch aufklärungsbedürftig."
    "S o, sind sie das?"
    "Eine Informantin" - die weibliche Form war mir herausgerutscht - "deutete die M öglichkeit eines Kapitalverbrechens an."
    "Ger üchte, Monsieur Heilant, nur Gerüchte. Ich versichere Ihnen, wir haben keine Beweise, die die These einer Sabotage erhärten könnten. Sicher, es gibt einige Ungereimtheiten … Aber das alles wurde bereits gestern auf der Pressekonferenz ausführlich erläutert. Der sehr geschätzte Monsieur Liepman hat sie sicherlich informiert", sagte er müde.
    Bisher hatte er die Fragen gestellt. Wenn ich mehr erfahren wollte, mu sste ich das Heft selbst in die Hand nehmen. "Und der Amerikaner ist nicht aufgetaucht?"
    "Ä hm, leider nicht. Mister Whites Verbleib liegt uns natürlich sehr am Herzen."
    Ich hatte ihm schon eine gute Nacht gew ünscht,

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