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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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ein mordsmäßiges Mordmotiv«, sagte Lena. Wenigstens hatte Lionel nicht auch noch den Pater umgebracht. Plötzlich war sie so todmüde, dass ihr beinahe die Augen zufielen. Berthe sah, wie es ihr ging.
    »Du kannst hier übernachten«, schlug sie vor. »Mit der Rosi in der Küche. Ich schlafe bei der Wöchnerin.«
    Sie erhob sich und ließ ihre Knie knacken. »So eine Geburt kann einen ganz schön schlauchen. Selbst wenn man nicht die Mutter ist.«
    Lena und Rosi machten es sich über Eck auf der Ofenbank bequem und steckten die Köpfe zusammen.
    »Berthe war echt toll«, flüsterte Rosi. »Sie ist die letzte Nacht und den ganzen Tag nicht von Hannas Seite gewichen, hat ihr die Hand gehalten, ihr das Gesicht gekühlt und ein Stück Holz zum Draufbeißen gegeben. Die Geburt hat schrecklich lange gedauert, obwohl das Kindchen so klein ist, weil bei Hanna die Wehen aufgehört haben.«
    »Gut, dass das Kleine lebt …«
    »Ja«, sagte Rosi. »Es ist immer wieder schön. Sogar, wenn sie einem hinterher die Haare vom Kopf fressen und einem höllisch auf die Nerven gehen wie meine kleinen Geschwister.«
    »Sag, Rosi«, wisperte Lena. »Hast du jetzt eigentlich …« Sogar unter der Decke spürte sie, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Was meinst du?« Rosi lachte. »Ach das. Ja, hab ich. Und da hab ich dir was voraus, nicht?«
    »Wie ist es denn so?«
    »Oh, du meine Güte. Es ist eben mein Geschäft. Da hält sich die Freude in Grenzen. Aber wenn einem der Kerl nicht allzu unsympathisch ist und sich nicht letzte Weihnachten zuletzt gewaschen hat, lässt es sich aushalten.«
    Trotz des fürchterlichen Tages und all der Ungewissheiten musste Lena kichern. »Schick sie vorher ins Badehaus!«
    »Und weißt du was? Mit dem Quirin hat es am meisten Spaß gemacht. Er hat sich das Recht ausbedungen, dass er als Herr der Esslinger Huren auch mal randarf. Umsonst, versteht sich.«
    »Nein, das ist nicht wahr!« Quirin war der Henker von Esslingen.
    »Das ist halt ein ganzer Kerl.«
    Lena dachte an Valentin, und das Lachen verging ihr. Hoffentlich musste der ihn nicht näher kennenlernen.
    »Und dein Burgunder?«
    »Er ist fort«, sagte sie, und es zerriss ihr fast das Herz.
    Rosis Hand kam unter der Decke hervor. Sehr zart strich sie ihr übers Haar. »Er kommt schon wieder!«
    »Ich glaub nicht«, sagte Lena und weinte sich in den Schlaf.

32
    »Hier, Murner, dein Schweinefraß!« Der Wächter pfefferte den Eimer so heftig auf den Boden, dass er überschwappte. Dann schlug er die Tür hinter sich zu, ohne sich noch einmal umzusehen. Valentin saß mit dem Rücken zur Wand und hatte keinen Hunger. Seine Welt bestand aus Schmerz, der in seinem Arm steckte wie ein bissiges Tier, ihm mit stetigem Klopfen den Kopf füllte und hinter seinen Augendeckeln lauerte, um ihn anzufallen, wenn er schlafen wollte. Dumpfer Schmerz, pochender Schmerz, andauernder Schmerz, der ihn ohnmächtig werden ließ und viel zu früh wieder aufweckte. Valentin wünschte sich, dass es aufhörte, auch wenn es das Ende seines Lebens bedeutete. Aber er starb nicht. Sein Herz klopfte gesund und stark und ließ sich von so etwas wie einem gebrochenen Arm nicht davon abhalten.
    Er saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden, den Rücken an der feuchten Kerkerwand. Dicht neben ihm stand der Eimer, den er benutzen sollte, wenn er mal musste. Der Raum war dämmrig, jedoch nicht ganz dunkel, so dass er die Tageszeiten mitbekam, aber auch darüber freute er sich nicht. Denn hin und wieder fiel sein Blick auf seinen Arm, aus dem das Knochenstück ragte, weiß auf blau und rot. Als sich eine Fliege darauf niederließ, drehte sich sein Magen um. Seine Hand war doppelt so dick wie sonst, die Finger bläulich und geschwollen. Diesmal hatte er verschissen. Diesmal würde er für die Morde büßen, die er nicht begangen hatte, wenn er nicht vorher am Wundbrand krepierte.
    Aus dem Eimer stieg ein vergorener Geruch, als sei das Gemüse, das darin verkocht worden war, faulig und sauer gewesen. »Blubb« machte es und bestätigte seine Vermutung.
    Eine Ratte schaute um die Ecke, schnupperte und näherte sich vorsichtig. Es war ein mageres Vieh, das entfernte Ähnlichkeit mit Streuner hatte. Sie kam heran, betrachtete mit zuckenden Barthaaren seine nackten Zehen und wendete sich dann interessiert dem Eimer zu, dessen übler Geruch sie nicht zu stören schien. Die Ratte nahm Anlauf, sprang, landete auf dem Rand des Eimers, balancierte sich falsch aus und plumpste hinein.

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