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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Valentin hörte ihr empörtes Fiepen. Dann verstummte sie und kämpfte vergeblich darum, sich an den Eimerwänden heraufarbeiten und ihr Leben retten zu können. Dummes Vieh!, dachte er und stellte sich mit diebischem Vergnügen das Gesicht des Wächters vor, wenn er die ersoffene Ratte im Schweinefraß entdecken würde. Doch dann ging ihm auf, wie sehr der Todeskampf der Ratte seinem eigenen Schicksal glich. Mit einem Anflug von Ekel robbte er an den Eimer heran, beugte sich darüber, packte das zappelnde Tier um den Bauch, hob es aus dem Eimer und setzte es auf den Boden. Die Ratte schüttelte sich, dass der vergorene Eintopf in alle Ecken spritzte, und verschwand blitzschnell in ihrem Versteck. Als er sich zurücklehnte, tat sein Arm einen Moment lang so höllisch weh, dass er nur Sterne sah. Unglaublich – er, der vermeintliche Meuchelmörder zweier ehrenwerter Mitglieder der Gesellschaft, hatte einer Ratte das Leben gerettet!
    Seine Augen glitten zum Fensterviereck weit oben in der kreisrunden Wand des Turms. Der Himmel war grau und verhangen wie schon den ganzen Tag. Nie hätte er sich träumen lassen, dass sie ihn einmal im Turm einsperren würden, wie man es mit dem Esslinger Abschaum tat. Beutelschneider, Betrüger, keifende Weiber, die versucht hatten, ihre prügelnden Ehemänner aus dem Weg zu schaffen – sie alle wurden hier eingekerkert. Aber ein waschechter Doppelmörder, das konnte sich schon sehen lassen. Er lachte leise. Dann erfasste ihn Trostlosigkeit. Er war unschuldig, aber davon würde er angesichts der Tatsache, beide Male direkt neben dem Toten gefunden worden zu sein, nicht einmal die Franziskaner überzeugen können. Und bei Marx Anstetter hatte er ein Motiv gehabt. Es war stadtbekannt, dass er Lena für sich gewinnen wollte. Was lag da näher, als ihren gewalttätigen Bräutigam zu beseitigen?
    Er hatte keine Chance, dachte er. Immer tiefer senkte sich die herbstliche Dämmerung über das Verlies. Er musste mal, robbte an den zweiten Eimer heran, kniete sich hin und schaffte es gerade so, nicht daneben zu zielen. Getrunken hätte er auch gerne etwas, aber wenn er an den stinkenden Eimer dachte, in dem die Ratte geschwommen war, verging ihm der Durst. Endlos zogen sich die Stunden hin. Das graue Fensterviereck wurde dunkler, dann schwarz, und Valentin saß noch immer auf dem mit schimmligem Stroh bedeckten Boden und konnte nicht schlafen. Es wurde kälter. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, so dass er Umrisse wahrnahm, seinen eigenen Körper, die Ziegelwände des Verlieses, die Ratte, die ihn von ihrem Versteck aus neugierig beäugte. Der Eimer stank immer mehr … Oder war es der andere?
    Da drehte sich der Schlüssel im Schloss, und die Ratte flitzte in ihr Schlupfloch. Der Wächter trat ein. Hinter ihm erschien Bruder Thomas, der ein kleines Öllicht mit sich trug und einen Fluch unterdrückte, der sich ganz unchristlich über seine Lippen stehlen wollte. Valentin wurde es einen Moment lang schwindlig vor Erleichterung.
    »Du kannst gehen«, sagte der Franziskaner gallig zur Wache. »Und nimm diese widerlichen Eimer mit! Stattdessen bring uns eine Schale frisches Brunnenwasser und einen sauberen Behälter für die Notdurft.«
    Mit einem schnellen Schritt war er bei Valentin und setzte das Licht auf den Boden. Er blinzelte von der ungewohnten Helligkeit.
    »Wie geht es dir?«, fragte Bruder Thomas.
    »Schlecht«, stöhnte er. »Mein Arm!«
    Der Franziskaner beugte sich über ihn. »Hmm. Ein offener Bruch. Wie ich befürchtet habe.«
    »Könnt Ihr … mich wieder … zusammenflicken?«
    »Nun«, sagte der Franziskaner munter. »Bader und Chirurgen dürften dazu besser geeignet sein als ein Physicus wie ich. Unsereins studiert anhand von Galens Schriften, und der hat sich bei der Anatomie an Schweine gehalten.«
    Valentins Hoffnung fiel in sich zusammen wie ein niedergebranntes Herdfeuer.
    »Dennoch, Schweine und Menschen sind einander ähnlicher, als du denkst. Obwohl sich unsere tierischen Verwandten meist besser benehmen. Aber ich werde sehen, was ich tun kann. Der Bruch sollte gerichtet werden, solange die Entzündung noch nicht ausgebrochen ist.«
    Bruder Thomas hatte ein Bündel mitgebracht, aus dem er einige saubere Tücher holte. Er breitete sie auf dem Boden aus und legte ein Operationsbesteck darauf, bei dessen Anblick es Valentin kalt über den Rücken lief. Zuletzt stellte er eine große Flasche Schnaps, ein Stück Holz und einen Leinenbeutel auf seinem

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