Die Himmelsmalerin
provisorischen Operationstisch ab.
»Das wird kein Spaziergang.« Bruder Thomas rieb sich die Hände.
Valentin konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass der Arzt sich aus rein fachlichen Gründen darüber freute.
»Und was ist, wenn wir das nicht machen?«
»Dann stirbst du am Wundbrand.«
Valentin straffte sich. Er würde ohnehin sterben, aber ein Tod am Galgen oder unter dem Beil des Henkers war dem Wundbrand durchaus vorzuziehen. Das ging wenigstens schnell.
»Trink!«, sagte Thomas und hielt ihm die Flasche an den Mund. Der Schnaps brannte wie Feuer in Valentins Kehle und füllte seinen Bauch mit wohliger Wärme. »Und jetzt steck dir am besten das Holz in den Mund.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür des Kerkers erneut. Herein trat der Wächter mit einer Schale frischen Wassers.
»Danke!« Der Ton in der Stimme des Arztes bestätigte dessen adelige Herkunft voll und ganz. »Und als Nächstes schaffst du frisches Stroh und anständiges Essen herbei. Nicht umsonst, versteht sich.«
Wie er die nächste halbe Stunde überstanden hatte, wusste Valentin später nicht mehr. Es war, als würde der Franziskaner seinen Arm mit einem glühenden Eisen durchbohren, und nur das Holzstück, in das er seine Zähne drückte, verhinderte, dass er den ganzen Kerkerturm wie unter der Folter zusammenschrie. Mit Hilfe von ziemlich viel Schnaps, den Thomas ungeniert über die Wunde goss, und ebenso viel roher Gewalt beförderte der Franziskaner den Knochen wieder an seinen Platz in Valentins Arm zurück. Am Ende versank Valentin in gnädiger Bewusstlosigkeit. Er kam nur einmal kurz zu sich und erkannte mit Schrecken, dass der Pater in Begriff war, ihm eine ekelhaft riechende Paste aus seinem Beutel auf den Arm zu schmieren.
»Was ist das?«, fragte er entsetzt.
»Die Salbe hat Frau Renata aus Schafskot, Käseschimmel und Honig hergestellt«, sagte der Franziskaner gleichmütig. »Sie soll sehr gut gegen Entzündungen helfen.« Bevor Valentin protestieren konnte, zog ihn die tiefe Nacht an ihre Brust.
Als er erwachte, kniete der Arzt noch immer neben ihm. »Wie geht es dir jetzt?«, fragte er und setzte sich mit knackenden Gelenken auf seine Fersen. Valentin konnte nichts sagen. Sein Arm war bandagiert und lag auf einem Schienbrett aus Holz. Die Schmerzen hielten sich in Grenzen, aber er war unglaublich müde.
»Schon gut.« Thomas kühle Hand legte sich auf seine Stirn. »Der Arm ist gerade. Aber in den nächsten Stunden wird das Fieber steigen, und dann werde ich das hier wieder brauchen.«
Er deutete auf den Leinenbeutel, aus dem es verschimmelt roch. »Frau Renata hat nach meinen Anweisungen eine ganze Reihe von Töpfen mit dieser Mischung angesetzt. Das Rezept stammt aus einem alten Klosterhandbuch der Medizin.«
Valentins Augen wurden groß. »Habt Ihr die Salbe schon einmal vorher ausprobiert?«
Der Arzt zögerte. »An einem entzündeten Zeh.«
Damit wollte sich Valentin wirklich nicht auseinandersetzen. Stattdessen schloss er die Augen und fiel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
33
»Das ist Eure Chance«, sagte Raban von Roteneck.
»Nein.« Der Mann am Fenster schüttelte den Kopf. Die Burg in Oberbayern, auf die er sich zurückgezogen hatte, bot Aussicht auf eine gezackte Gipfelkette, die er viel interessanter fand als seinen ungebetenen Besucher. Unter den felsigen Gipfeln hatten sich die Wälder prächtig verfärbt, rot, gold und rostbraun wie poliertes Kupfer. Ein frischer Wind trug den Geruch des Herbstes herein, nach Sommer, den die Natur viele Monate aufgesogen hatte, und der jetzt unweigerlich dem Verfall preisgegeben wurde.
Roteneck war zornig, denn sein vornehmes Gegenüber ließ von sich seit geraumer Zeit nur die elegant gekleidete Kehrseite sehen. Der Raum, in dem er empfangen wurde, bot jeglichen Komfort. Er enthielt ein geschnitztes Bett, einen Betstuhl mit einer prächtig illuminierten Bibel und einen Tisch, auf dem ein Diener ihnen Hühnchen, Trauben, Brot und Käse serviert hatte. Die herbstlichen Wälder rundum waren bestes Jagdgebiet, wimmelten von Hirschen und Wildschweinen und gaben alles her, was das Herz eines Edelmannes und begeisterten Falkners begehrte. Trotzdem ist das hier ein Kerker, dachte der Ritter düster.
»Sein Streit mit dem Papst wird ihn schwächen, mein König«, sagte er eindringlich. »Schon jetzt ist er exkommuniziert und hat das Interdikt auf seine Länder gebracht.«
Der Mann am Fenster schüttelte den Kopf. Seine Schultern bebten.
»Was gibt es zu
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