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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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kannst die Suppe auch allein kochen.«
    »Das kann ich auch. Aber das Feuer war zu heiß.«
    Das stimmte. Unter dem Dreizack loderte es hell und laut wie in der Hölle. Stirnrunzelnd betrachtete Sanna das Inferno. »Wie kriegt man es nur schwächer?«
    »Ja, was hast du denn damit angestellt?«
    »Angeheizt und angeheizt.«
    Lionel lachte und ließ die Kleine los. »Ich glaube, deine Suppe ist fertig. Mal schauen, ob ich die beiden aus der Stube loseisen kann.«
    »Versuch nur dein Glück!« Sanna stemmte die Hände in die Hüften. »Sie haben einen Weinkrug dabei.«
    »Ich gehe sie holen.«
    Im Haus herrschte Totenstille. Keine Spur von den Lehrbuben, dem Altgesellen und Konrad, die vermutlich noch in der Werkstatt arbeiteten. Lionel war todmüde und hungrig, aber seine Sinne waren von der durchwachten Nacht und dem anstrengenden Tag so geschärft, dass er die Fachwerkbalken des Hauses im Wind ächzen hörte. In seiner Lehrzeit hatte er eine Scheibe Bildglas schief in ihren Rahmen gefügt, die einen Moment später zu Glasstaub zerborsten war. Er fühlte sich genau wie dieses unter Spannung stehende Stück Glas, denn er hatte Madeleine nicht gefunden. Sie tappten völlig im Dunkeln, und er zweifelte immer weniger daran, dass der Entführer sein grausames Spiel mit ihnen trieb.
    Bevor Lionel die Tür zur Stube öffnete, wappnete er sich, denn der Glasmalermeister war schon am Morgen völlig verzweifelt und voller Selbstvorwürfe gewesen. Jetzt saß er mit grauem Gesicht vor dem fast leeren Weinkrug. Die Kerze auf dem dunklen Holztisch flackerte und konnte die dunklen Schatten in den Ecken nicht vertreiben. Martha saß neben dem Meister und hatte ihre Hand auf seine gelegt. Lionel fragte sich einen Moment lang, wie ihre Beziehung wirklich aussah. Als Meister Heinrich sich aufrichtete und ihn ansah, bemerkte Lionel die bläulichen Flecken rund um seinen Mund.
    »Habt Ihr sie gefunden?«, fragte Heinrich kurzatmig. »Sie ist doch das Einzige, was ich habe.«
    Er schüttelte langsam den Kopf, und Heinrichs Hoffnung zerstob im Herbstwind. Tränen stahlen sich aus seinen Augenwinkeln und rannen über seine unrasierten Wangen, ohne dass er sie wegwischte.
    »Martha«, sagte Lionel. »Hol bitte Meister Heinrichs Medizin aus seiner Kammer! Und dann geh und schau, ob du Sannas Suppe retten kannst.«
    »Herrgottsdonnerblitz!« Die Köchin erhob sich schwerfällig und verließ den Raum.
    Lionel setzte sich. »Es gibt keine Spur von Madeleine.«
    Heinrich nickte, als habe er diese Nachricht erwartet.
    »Gott straft mich«, sagte er. »Ich war so vermessen, mir ein junges Weib ins Haus zu holen, das der Herr viel zu schnell zu sich genommen hat. Und jetzt holt er ihr Kind.«
    »So ein Unsinn.« Lionel fuhr auf. Auch ihm war zweimal ein unverdientes Glück begegnet. Einmal hatte Gott es ihm schon genommen. Aber Madeleine würde er retten, und wenn er seine Seele dabei verspielte.
    Heinrich schüttelte nur den Kopf und griff dann nach dem Krug. »Es ist die Liebe. Wer sich auf sie verlässt, muss den Preis dafür zahlen.«
    »Ihr solltet nicht mehr trinken«, sagte Lionel und zog den Becher zur Seite. In diesem Moment kam Martha mit Bruder Thomas’ Herzmedizin zurück, die der alte Meister widerstrebend einnahm.
    Lionel rief den Rest des Hausstands zusammen, und sie aßen in der Küche. Während der Mahlzeit herrschte beklommenes Schweigen, das nicht einmal wie sonst von den Späßen der Lehrbuben unterbrochen wurde, die verdruckst und scheu in die Runde starrten. Lionel konnte es ihnen nicht verdenken. Sannas Suppe war versalzen, das Gemüse darin verkocht, aber ihm war egal, was seinen Magen füllte. Zum Ende der Mahlzeit standen alle auf und verzogen sich, so schnell sie konnten. Nur Konrad nickte Lionel zu und ging dann zurück in die Werkstatt, um bis in die Nacht hinein zu arbeiten.
    »Martha, weißt du, wo ich die Frau Marchthaler finde?«, fragte er beiläufig und zog seinen Umhang fest um seine Schultern.
    »Die Spinatwachtel suchst du?« Martha sah ihn zweifelnd an. »Wenn sie nicht beim Stoffhändler ist, wird sie wohl beim Goldschmied sein, oder sonst daheim.«
    Lionel nickte. Der Frau ging also der Ruf der Putzsucht voraus. Martha erklärte ihm noch den Weg zum Marchthaler’schen Anwesen, dann nickte er Meister Luginsland zu und verließ das Haus.
    Draußen wehte ein kalter Ostwind. Der klare Tag ging in eine bläuliche Dämmerung über, in der langsam die ersten Sterne aufblitzten. Unter der Brücke raunte schwarz der

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