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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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galt sein Blick gar nicht dem Jungen, sondern dem Mann hinter ihm.«
    Der Glasmaler fuhr herum und sah sie am Tisch sitzen, zufrieden wie eine Katze, die von der Sahne genascht hatte.
    »Ja, da staunt Ihr!«
    Ein großer Schritt, und er war zurück am Tisch und umklammerte die Kante so fest, dass er seine Hände nicht mehr spürte.
    »Von welchem Mann sprecht Ihr?«
    »Nun, ich kannte ihn nicht. Aber ich sehe, wenn ich einen echten Herrn vor mir habe, und dieser hier hatte so was … Höfisches, Ritterliches. Und gut gekleidet war er auch.«
    »Wie sah er aus?«
    Die Frau dachte nach, bis auf ihrer Stirn feine weiße Falten erschienen. »Nun, Ihr müsst verstehen. Das ist eine Weile her. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass er dunkle Haare hatte und einen ebensolchen Bart. Und er war sehr groß.«
    »Prior Balduin war es nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Der alte Sauertopf? Der versteckt sich doch lieber hinter Klostermauern. Und warum sollte das Gleichnis auf ihn passen?«
    Lionel nickte. Damit war er zwar einen Schritt weitergekommen, aber den Mann identifizieren konnte er deshalb noch nicht. Wahrscheinlich war er kein Esslinger, denn der Marchthalerin waren die Stadtbürger sicher samt zweihundert Jahren ihrer Ahnenreihe vertraut. Jetzt erhob sie sich von der Bank und begleitete ihn zur Haustür, öffnete sie und bahnte dadurch dem eisigen Wind einen Weg hinein.
    »Das mit Eurer Braut habe ich übrigens ernst gemeint. Sie ist viel zu nachlässig gekleidet. Als sie gestern vor dem Fürstenfelder Pfleghof stand …«
    »Was?« Lionel fasste sie um die Schultern und drückte kräftig zu.
    »Nicht so heftig!« Kokett machte sie sich frei und blinzelte ihm dabei vielsagend zu. »Man könnte ja Angst vor Euch bekommen.«
    »Ihr habt Lena gesehen? Gestern?«
    »Ja, gegen Mittag, als sie vor dem Fürstenfelder Hof stand und klopfte. Sie hat übermäßig nach Fisch gestunken, als hätte ein Neckarfischer seinen Fang über ihr ausgekippt. Und dabei soll doch erst vorgestern der Bote des Königs dorthin zurückgekehrt sein. Aber sie wollte sicher die Magd sprechen, die etwas mit dem toten Herrn Anstetter …«
    Lionel atmete schwer. Die Haustür, die dunkle Gasse dahinter, alles verschwamm vor seinen Augen. Auch Glasfenster waren zunächst nichts als bunte Scherben, Fragmente, Bleiruten, Stege, denen niemand ansehen konnte, was aus ihnen einmal werden würde. Durch seine Hände fügten sie sich in ein sinnvolles Ganzes. Das Gleiche geschah so schnell mit den Bruchstücken der Geschichte rund um die Morde, dass ihm davon schwindlig wurde. »Habt Ihr gesehen, ob sie eingelassen wurde?«
    »Nein, ich bin mit meiner Magd nur vorbeigegangen.«
    Das machte nichts. Der Bote, ein schwarzhaariger, großer Mann, den Pater Ulrich davor warnte, zwei Herren zu dienen. Anstetter, der im Fürstenfelder Hof eine Flamme hatte, und Lena, die dem Mörder nachspionierte, auch wenn sie den falschen Schuldigen im Blick hatte. Und der König, der einen Anschlag fürchtete. Er wusste, in wessen Gewalt sie sich befand. Und sie schwebte in Lebensgefahr, denn für den königlichen Boten stand alles auf dem Spiel, wenn man ihm auf die Schliche kam.
    Lionel merkte nicht, dass er sich von der Marchthalerin nicht verabschiedet hatte und ziellos durch die Straßen lief. Im Finsteren Tor war es so dunkel, dass er einen Moment lang glaubte, er sei blind. Draußen erwartete ihn eine klare Herbstnacht mit einem Vollmond, um den sich ein Hof gebildet hatte. Das Wetter würde sich ändern. Langsam ging er zurück zum Haus der Familie Luginsland, doch als er vor der Tür des Haupthauses stand, drehte er auf dem Absatz um und wandte sich dem Fürstenfelder Hof zu. Das Geräusch des Türklopfers dröhnte in seinem Kopf, als er ihn zornig auf das Türblatt niederfahren ließ.

40
    »Hau schon ab!«, sagte Valentin, und die Ratte verkroch sich in ihrem Schlupfwinkel in der Mauer. In diesen einsamen, sinnlosen Tagen im Kerker war sie so etwas wie seine Gefährtin geworden. Eine Gefährtin, der er von seinem harten Kanten Brot ein paar Krümel abbröckelte und die ihrerseits nicht vergaß, wem sie ihr Leben zu verdanken hatte, und ihn so weit in Ruhe ließ. Nur manchmal saß sie einfach da und betrachtete ihn neugierig, betrieb gewissermaßen ihre Studien an ihm, so wie jetzt, mit dunklen Knopfaugen und zitternden Barthaaren. Solange sie meine Zehen nicht anknabbert, dachte Valentin mit einem Anflug schwarzen Humors.
    Blaue Dämmerung stand in dem

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