Die Himmelsmalerin
hob seine großen, eckigen Hände mit den überraschend langen Fingern und legte sie an den Gelenken übereinander. »Mir sind die Hände gebunden.«
»Aber der Fremde, dieser Bote da, das ist doch der Mörder von Bruder Ulrich und Marx Anstetter, und wahrscheinlich hat er auch noch Fredi auf dem Gewissen.«
»Du fragst, warum ich mich mit ihm abgebe?« Sein Blick war so voller Verzweiflung, dass Valentin einen Schritt zurückwich. »Manchmal muss man sich mit dem Teufel einlassen.«
Valentin machte seinen Mund auf und wieder zu, und der Burgunder betrachtete seine Hände.
»Meine Hände, weißt du. Ich hätte ein Ritter werden können, die Tür dafür stand weit offen. Nur wollte ich mit dem Kriegshandwerk nichts zu tun haben. Aber sie sind noch immer waffentauglich.«
Der Burgunder senkte seinen Blick auf das unfertige Glasbild in seinem provisorischen Rahmen und setzte in aller Ruhe weitere Fragmente ein.
Eilig ging Valentin rückwärts zur Tür und verließ den Raum ohne Gruß. Waffentauglich! Der Burgunder war verrückt geworden und hatte sich von dem fremden Ritter anwerben lassen. Und ließ ihn allein im Regen stehen. Als Martha und Sanna das Tor öffneten, stand er noch immer unschlüssig im Hof und wusste nicht, wohin er als Nächstes gehen sollte.
»Servus, Valentin!«, sagte die Köchin und musterte ihn ungeniert. »Lange nicht gesehen. Möchtest du in die Küche kommen? Da ist es warm.«
Sanna rannte zur Schwelle. »Martha schau! Die Toten haben den Griesbrei noch nicht gegessen.«
Martha stemmte ihre Hände in die Hüften. »Aber die Katze auch nicht, und das hätte sie, wenn keine von ihnen da wären.«
»Wirklich?« Sanna trat ein paar Schritte zurück.
»Lena«, sagte Valentin. »Ich suche sie überall.«
Ganz plötzlich änderte sich Sannas Stimmung, und unter ihren langen Wimpern rannen dicke Tränen hervor. »Ich auch«, weinte sie.
»Meinst du, wir nicht?«, gab Martha bitter zurück. »Ich frage in der Stadt herum, aber niemand weiß, wo sie steckt. Ihr Vater liegt wieder krank in der Schlafstube, und Lionel wird von Tag zu Tag seltsamer.«
»Mit dem stimmt etwas nicht«, stellte Valentin fest.
Die Köchin nahm das kleine Mädchen in den Arm. »Das dachte ich auch schon, aber er schweigt sich aus, wie Männer es eben so tun. Jetzt hör halt auf zu heulen, Sannale. Es wird schon alles gut.«
»Wird’s nicht«, schrie Sanna und rannte ins Haus.
»Da siehst du’s.« Martha seufzte und folgte ihr. Auf der Schwelle drehte sie sich kurz um. »Kannst gern reinkommen. Es gibt heißen Wein und Eierkuchen.«
»Nein, danke«, sagte Valentin. Er hatte Besseres zu tun.
»Aber pass auf«, rief Martha zurück, als er schon im Tor stand. »Manchmal lungern hier so Kerle rum.«
Valentin nickte und trat auf die Gasse hinaus. Es sah ganz so aus, als sei in der Werkstatt Luginsland kein Beistand zu finden. Wider Willen stellte er fest, dass er der Einzige war, der Lena und Kilian suchen konnte. Und plötzlich wusste er auch, wo.
Lionel wischte das Wachs, das an seinen Händen klebte, an seinem Obergewand ab, stand auf und prüfte nach, ob die Tür ins Schloss gefallen war. In den letzten Tagen hatte er sich in die Werkstatt zurückgezogen und mit seiner schlechten Laune schon mehrmals den immer heiteren Konrad vertrieben. Genau wie den jungen Steinmetz, der sich aus seinem Versteck gewagt hatte, weil er einen Rat suchte.
Er spürte vages Bedauern, aber eine Lösung des Dilemmas war nicht in Sicht. Seine Hände! Er legte sie mit dem Handrücken an die Tischkante und betrachtete sie. An ihnen würde das Blut eines Königs kleben, der noch dazu sein Freund war – ein Ehrenmann zweifellos, dem er den unverdienten Tod bringen sollte. Und der Bote würde sicher gern dabei zusehen. Roteneck wäre in der Lage, eine Gelegenheit herbeizuführen, die ihm dies ermöglichte. Wenn ihn auch nur einer bei dem Mord beobachtete, wäre Lionels Leben verwirkt, womit sich die Frage erübrigte, ob er Lena wiedersehen würde oder nicht. Doch wenn er sich weigerte, wäre sie dem Tod geweiht, zusammen mit dem Novizen, der ebenfalls unschuldig war, und der unbekannten dritten Geisel. Aber konnte Roteneck sie überhaupt am Leben lassen? Nein, dachte er. Dafür müsste er wenigstens ansatzweise wissen, was Barmherzigkeit ist. Die Gedanken drehten sich in seinem Kopf, kreisten umeinander und begannen dann wieder von vorne, der Schlange nicht unähnlich, die sich in den eigenen Schwanz verbiss.
Er rieb Schwarzlot,
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